Frankfurt/Main. Da dürften seinerzeit vor wenigen Jahren die Champagner-Korken beim Vorstand der Sal.-Oppenheim-Bank geknallt haben, als der Verkauf an die Deutsche Bank AG in trockenen Tüchern war, denn das Unternehmen hatte es irgendwie geschafft, die schlechten Unternehmenszahlen und Verlustvorträge vor den Prüfern der Deutschen Bank zu verschleiern. Irgendwie bezeichnend für die derzeitige Schieflage der Frankfurter Großbank, die mehr und mehr von Fehlern aus der Vergangenheit eingeholt wird. So wurden für die Übernahme nicht nur 1,3 Milliarden Euro bezahlt, sondern erst viel später kam heraus, dass ein hoher operativer Verlust eingefahren wurde und noch offene Kredite in Höhe von 800 Millionen zu begleichen sind. Nun hat der Vorstand der Deutschen Bank mitgeteilt, dass man das Traditionsunternehmen mit fast 230 Jahren seit Gründung in der Versenkung verschwinden lassen will. Ein Relaunch lohne sich offenbar nicht mehr, da das alte Bankhaus nie wieder zu einstigem Glanz zurückgefunden hat.
Dennoch war die letzte Nachricht von Gerichts-Seite äußerst positiv und begrenzt der finanziellen Schaden etwas. Obwohl man als Chef der Deutschen Bank mit Gerichten in der Regel wenig Freude hat. Die Prozessiererei zerrt an den Nerven, die Rückstellungen für die Rechtsrisiken — zuletzt zwei Milliarden Euro — vermiesen das Ergebnis. Ende Juni aber erreichte Konzernchef Christian Sewing (48) eine überraschend frohe juristische Kunde. Ihr Wert: Bis zu 440 Millionen Euro. Die Neuigkeit kam aus Luxemburg. Dort hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass Verlustvorträge, die in mehrheitlich übernommenen Unternehmen schlummern, vom Erwerber gehoben werden dürfen (Aktenzeichen Rs. C-203/16 P).
Was für Steuerrechtsunkundige sperrig klingt, nutzt Sewing insbesondere bei der Tochter Sal. Oppenheim. Vorvorgänger Josef Ackermann (70) wollte die reiche Kundschaft der mehr als 200 Jahre alten Kölner Privatbank einbuchen, hatte jedoch sträflich unterschätzt, wie sehr die Eigner um Ex-Sal.-Oppenheim-Boss Matthias Graf von Krockow (69) ihr Institut runtergerockt hatten. Bis Jahresende wickelt Sewing das Haus ab. Die Marke ist tot. Nach dem EuGH-Urteil wird nun in Frankfurt überlegt, wie sich die Verlustvorträge von 440 Millionen Euro, die Ende 2017 noch in den Kölner Büchern standen, doch noch nutzen lassen. Damit könnte Sewing die Gesamtbilanz der Übernahme von Sal. Oppenheim wenigstens ein bisschen aufhübschen.
Auf der Negativseite stehen die 1,3 Milliarden Euro Kaufpreis und Kredite von 800 Millionen Euro, die sich die Gesellschafter um von Krockow selbst genehmigt hatten und die größtenteils futsch sind. Bis 2015 häufte Oppenheim zudem operativ 769 Millionen Euro Verlust an. Der Verkauf von Oppenheim Beteiligungen brachte auch weniger ein als erhofft. Die ÉHF-Bank spielte zwar 347 Millionen Euro ein. Das Fondsgeschäft in Luxemburg und der 20-Prozent-Anteil an der chinesischen Hua Xia Bank waren aber unterm Strich eher Verlustgeschäfte. Hinzu kommen die Kosten für all die Verfahren rund um die Oppenheim-Esch-Fonds, die Großkunden wie die Schuhhändlersippe Deichmann oder Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz (74) gegen die Bank angestrengt hatten.
Immerhin: Durch den Immobilienboom gewannen die Fondsassets so stark an Wert, dass sie beim Verkauf oft mehr einbrachten, als die Deutschbanker kalkuliert hatten. So waren die zahlreichen Vergleiche mit Fondszeichnern, bei denen die Bank oft zurücksteckte und Fondsanteile zurücknahm, wirtschaftlich am Ende gar nicht so schlecht.
Als werthaltig für die Fondstochter DWS erwies sich auch das Kölner Know-how rund um Quant-Strategien — Wertpapierhandel per Algorithmus. Und überraschend viele vermögende Sal-Oppenheim-Kunden blieben ihren Beratern treu. Jetzt stehen die letzten Aufräumarbeiten an. Oppenheims Stammhaus in bester Citylage in Köln soll bis Jahresende verkauft sein. Von Graf Krockow fordert die Deutsche Bank noch 120 Millionen Euro — Folge seiner Verurteilung im großen Oppenheim-Strafverfahren.
Die Vergleichsverhandlungen laufen, und Sewings Unterhändler gelten als recht konziliant. Die Deutsche Bank mag auf Anfrage keine Euro-und-Cent-Bilanz des Oppenheim-Deals ziehen. „Hier kann auch keine schlichte Zahl am Ende über Erfolg und Misserfolg entscheiden“, lässt sie wissen. Aber retten Sewings Steuerfüchse wenigstens die Verlustvorträge, könnte er das Kapitel Sal. Oppenheim weniger schmerzhaft beenden — dank der Steuerzahler.