Gütersloh. Es deuten sich Veränderungen an beim Gütersloher Versand-und Medienriesen Bertelsmann. Ganz still und leise versucht offenbar Liz Mohn, die Witwe des einstigen Patriarchen ihren Enkel Carsten Coesfeld im Konzern zu installieren und zu etablieren. Das würde bedeuten, dass Christoph Mohn, der Sohn der Chefin der Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft, nicht automatisch den Firmenvorsitz übernehmen würde, sobald Liz Mohn einmal abtritt. Mit 77 Jahren hat sie ein Alter erreicht, wo eigentlich ihre Ablösung ins Haus stehen sollte. Und das wäre eine kleine Sensation, wenn der Nachwuchs-Betriebswirtschaftler, der gerade 31 Jahre alt ist, das Zepter im Unternehmen übernehmen würde. Zwar hat er eine fundierte Ausbildung mit Studium in London und gutem Abschluss, aber außer Assistenztätigkeiten im Zuge von „learning on the job“ kann er noch nichts vorweisen.
Ein Mantra (die heilige Formel aus dem Buddhismus) hat Reinhard Mohn den Seinen hinterlassen, als der Patriarch des Medienriesen Bertelsmann 2009 mit 88 Jahren starb: Die Firma möge in Familienhand bleiben, für immer. Seine Witwe Liz Mohn (77) legte den Begriff „Familie“ lange recht eng aus. Reinhard Mohn hatte sich zwei Familien geleistet — eine mit Gattin Magdalene (95) und eine mit Liz. Aus beiden Ehen gingen je drei Kinder hervor, die sechste Generation. Für Liz Mohn schienen Iange Zeit nur ihre eigenen zu zählen. Doch nun, so ist in Gütersloh zu hören, hat sie veranlasst, dass in der siebten Generation ein Sprössling des anderen Zweigs im Konzern sichtbar wird: Carsten Coesfeld (31).
Der Sohn von Christiane Coesfeld (63), einer Tochter von Magdalene Mohn, wurde kürzlich ohne Pauken und Trompeten ins Kuratorium der Bertelsmann Stiftung berufen. Diese hat zwar keine Mitsprache darüber, was der Medienkonzern mit Töchtern wie der RTL Group anfängt, dem Buchriesen Penguin Random House, der Musiksparte BMG oder dem Verlagshaus Gruner + Jahr (über das Bertelsmann mit durchgerechnet 44 Prozent beteiligt ist). Dennoch gilt die Berufung als Schritt zu höheren Weihen, sprich einem Job im Vorstand, und irgendwann vielleicht sogar dem CEO-Posten.
Die noch kurze Biografie von Reinhard Mohns Enkel verlief bisher jedenfalls vorstandstauglich: Managementstudium an der WHU in Koblenz, Praktika bei Goldman Sachs und Boston Consulting — wo man den jungen Mann am liebsten gleich behalten hätte —, Master an der London School of Economics. 2011 dann, mit Mitte 20, Assistent des damaligen Bertelsmann-Chefs Hartmut Ostrowski (60).
Seit 2012 wühlt sich Coesfeld bei der Servicesparte Arvato durch die Mühen der Ebene, etwa indem er das Geschäft mit Krankenhausabrechnungen aufbaute. Mittlerweile leitet er das Segment Telekommunikation, was die Freude mit sich bringt, neue Logistikzentren für Großkunden wie Vodafone einweihen zu dürfen. Coesfelds Positionierung deutet an, dass Liz Mohns Kinder keine Rolle mehr im Tagesgeschäft spielen werden, obwohl zwei lange danach strebten. Sohn Christoph Mohn (53) führt zwar den Aufsichtsrat von Bertelsmann, dem auch Schwester Brigitte (54) angehört. Aber die Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft (BVG), das eigentliche Machtzentrum in Gütersloh, in der die Stimmrechte gebündelt sind, leitet die Matriarchin weiterhin selbst. Ein Passus, nach dem sie mit 75 hätte abtreten müssen, wurde 2014 aus den Statuten gestrichen. Auf offiziellen Veranstaltungen taucht jedenfalls Liz Mohn demonstrativ mit dem Enkel aus der 2. Linie immer öfters auf – und setzt damit deutliche Zeichen.