Vevey. Im vergangenen Jahr hatte der zu dieser Zeit neue Nestlé-Chef versprochen, seine Französischsprachkenntnisse zu verbessern. „Ich freue mich meine Ansprache heute in Französisch zu halten“, sagte der Manager auf der Generalversammlung des Nahrungsmittelkonzerns in Lausanne im April diesen Jahres. Vor den rund 2000 versammelten Aktionären warb Schneider für den Konzernumbau und bat sie um Zeit.
Schneider hatte im Januar 2017 die Leitung von Nestlé übernommen. „2017 war ein Jahr des Wandels, ein intensives und anstrengendes Jahr, das Nestlé gut auf die Zukunft vorbereitet“, sagte der Konzernchef.
Nestlé hatte im vergangenen Jahr zwar einen Milliardengewinn ausgewiesen. Doch der Nahrungsmittelgigant bekommt den Wandel der Branche zu spüren und das schneller, als es dem Konzern lieb ist.
Als Ulf Mark Schneider (52), den nicht wenige für den besten deutschen Manager seiner Generation halten, vor eineinhalb Jahren von Fresenius an die Spitze des weltgrößten Nahrungsmittelherstellers Nestlé rückte, war Daniel Loeb (56) noch voller Euphorie. Der Chef und Eigner des über 18 Milliarden Dollar schweren Vermögensvenwalters Third Point glaubte, dass Schneider den behäbigen Giganten im Rekordtempo umbauen würde. Also kaufte er sich im Juni vergangenen Jahres für 3,5 Milliarden Dollar mit 1,3 Prozent bei Nestlé ein. Normalerweise hat Loeb ein gutes Näschen. Der Aktivist erzielt seit der Gründung von Third Point 1995 im Schnitt 19 Prozent Rendite im Jahr. Ausgerechnet mit Nestlé, seiner größten Wette, liegt er bisher daneben. Der Kurs des Konzerns ist seit seinem Einstieg um 8,60 Dollar gesunken, Loeb hat — Stand Mitte Juli— 343 Millionen Dollar verloren.
Schneider schätzt er trotzdem noch, die beiden kennen sich gut. Sie sind sich erstmals über den Weg gelaufen, als DuPont 2015 eine Fusion mit Dow Chemical auslotete. Schneider saß damals im Aufsichtsrat von DuPont, Loeb attackierte Dow Chemical, wenig später entstand der Chemiekoloss DowDuPont. An dem 150 Milliarden schweren Deal verdiente Loeb kräftig mit.
Loebs Angriff auf Nestlé dürfte Schneider also kaum überrascht haben, bis heute stehen sie in regelmäßigem Kontakt, haben sich viermal getroffen, telefonieren und mailen öfter miteinander. Für Loeb ist der Deutsche Teil der Lösung, das Problem sind andere: Schneiders Managementteam und Verwaltungsrats-Chef Paul Bulcke (63). Er hält sie für Blockierer eines dringend nötigen Wandels. Loeb fordert, dass Nestlé die Beteiligung an L’OréaI (23 Prozent) abstößt und sich auf drei separat geführte Einheiten konzentriert: Beverages (Kaffee und Wasser), Nutrition (Tieffutter, Babynahrung, Milch- und Gesundheitsprodukte) und Grocery (Süßwaren, Fertiggerichte, Eis). Der Rest soll weg, immerhin 15 Prozent des Umsatzes. Der Erlös soll dann bis 2022 jährlich um 4,2 Prozent wachsen, das Ebit sogar um 8,3 Prozent.
Seine Vorschläge hat Loeb Anfang Juli in einer 34 Seiten langen Präsentation ins Netz gestellt. Der Selfmademilliardär findet, dass sich Nestlé zwar in die richtige Richtung bewegt, aber viel zu langsam. Mit der Website wollte er klarmachen, dass er als einer der größten Shareholder nicht lockerlässt. Zudem will er die Nestlé-Mitarbeiter von seinem Kurs überzeugen und hofft auf fruchtbare Gespräche. Wie es in seinem Umfeld heißt, sei er da optimistisch. Zu Recht?
Nestlé hat seinen jüngsten Vorstoß gar nicht erst kommentiert. Der Konzern beschränkte sich auf eine kurze Mitteilung. Tenor: Bei uns läuft alles bestens. Klammheimlich haben die Schweizer aber schon mal den früheren Goldman-Sachs-Banker Bill Anderson engagiert. Der Managing Director von Evercore ist darauf spezialisiert, Angriffe von Aktivisten abzuwehren. Und er hat Erfahrung mit Loeb.
Gut möglich, dass sich die Fronten verhärten. Bei Yahoo drängte Loeb in den Verwaltungsrat und brachte den Internetkonzern dazu, ihm seine Anteile abzukaufen — mit fettem Gewinn. Beim Auktionshaus Sotheby’s scheute der passionierte Kunstsammler auch vor einem Gerichtsprozess nicht zurück, um ins Kontrollgremium zu kommen. Derzeit will Loeb bei Nestlé kein Verwaltungsratsmandat, aber wer weiß? Seine Allianz wächst. Wie gut informierte Kreise berichten, hat Third Point mit Artisan Partners und Schroders bereits weitere Nestlé-Investoren auf seine Seite gezogen.