Texas. Wer am Ende der Schlange steht, kann ihren Anfang nicht sehen: Dicht gedrängt stehen die Menschen entlang der langen Glasfront des Convention Centers. Dann biegt die Schlage um eine Ecke, um noch eine und um noch eine. Manche harren seit Stunden im Schneidersitz auf dem Boden aus, um an ein Ticket zu kommen. Es ist das übliche Publikum: Hipster, IT-Fans, Tech-Nerds. Und ihr Star, den sie unbedingt sehen wollen, heißt Elon Musk.
Der Milliardär und Visionär, der schon im nächsten Jahrzehnt auf den Mars fliegen will, ist der Star auf der Tech-Konferenz South by Southwest (SXSW) im texanischen Austin. Dass Elon Musk hier sein wird, wurde erst in der Nacht zuvor bekannt.
Auf der SXSW versammelt sich zwischen Ölfeldern und Farmen jährlich die weltweite Tech-Elite. Das Festival markiert die „digitale Standortbestimmung „, wie Fans schwärmen. Dazu gibt’s gemixt Kunst, Musik — und sogar Politik. Doch zeigen sich in den USA mittlerweile auch Einflüsse aus Europa. Der ungetrübte Enthusiasmus der vergangenen Jahre ist vorüber. Unbehagen wird spürbar, vor allem gegenüber großen Plattformen — mehr als nur eine Ära neigt sich Experten zufolge dem Ende.
Das betrifft vor allem Facebook. Die Plattform könne durch einen neuen Algorithmus die Geschäftsmodelle ganzer Branchen verändern, mahnen SXSW-Teilnehmer. Und der ehemalige Facebook-Präsident Sean Parker hatte bereits vor der Konferenz gewarnt: Die Plattform sei so konzipiert, „Schwächen in der menschlichen Psyche auszunutzen ‚J . Herausforderungen wie der Umgang mit Hate-Speech, mit Fake News, Propaganda und Manipulation steigern zusätzlich den Druck auf Facebook.
Darauf hat das Netzwerk bereits mit Änderungen in seinem Newsfeed reagiert, in dem Nutzern mehr Inhalte von Freunden und weniger von Firmen ausgespielt werden.
China will 200 Milliarden Dollar in neue Technologien stecken
Den Unmut bekam in Austin Facebooks News-Chefin Alex Hardiman zu spüren. Für den Vorwurf eines Journalisten, Facebook habe das Geschäft mit Nachrichten nicht verstanden, gab es Beifall.
Vehement diskutiert wird über die europäische Datenschutzgrundverordnung, die im Mai in Kraft treten wird. „Die USA haben Respekt davor. Denn das Recht auf unsere Daten gilt für uns Europäer weltweit“, sagt BOTIabs-CEO Ingo Rübe. Viele sehen die Verordnung als Innovationshemmer im Wettbewerb um künstliche Intelligenz (KI). Die Technologie lebt von der Datenflut. China ist hier mit mehr als 730 Millionen datenproduzierenden Intenet-Nutzern ohne Datenschutzgesetze klar im Vorteil.
Das Land will in den nächsten drei Jahren mehr als 200 Milliarden US-Dollar in neue Technologien pumpen. „Die Entwicklung künstlicher Intelligenz ist unsere moderne Version eines Wettrüstens“, meint die Zukunftsforscherin Amy Webb.
Von ganz anderen Gefahren spricht Elon Musk, der auch dank künstlicher Intelligenz Millionen verdient hat, bei seinem zum Bersten gefüllten Panel im Moody Theater: „Künstliche Intelligenz ist viel gefährlicher als Nuklearwaffen. “ Maschinen werden erkennen, dass sie der Mensch daran hindert, effizienter zu werden, lautet sein Schreckensszenario. Bald könnten nicht mehr Regierungschefs, sondem KI darüber entscheiden, einen Staat anzugreifen.
Ethik und Moral werden in Bezug auf KI weiter ausgehandelt. Noch ist unklar, welche Auswirkungen es hat, wenn der Mensch die Maschinen mit seinen Wertevorstellungen füttert. „Wenn ein Algorithmus gelemt hat, dass bisher vor allem weiße Männer Führungspositionen innehatten, darf er nicht Frauen oder Menschen mit Migrationshintergrund herausfiltem“ , erklärte Web-Designer Josh Clark besorgt.
Auch die Auswirkungen der Blockchain-Technologie, die mit Hoffnungen verbunden ist, sind noch unklar. Ihr wird zugetraut, alle bislang bekannten Systeme und Industrien dahingehend zu verändem, dass sie auf Dienstleister wie Banken oder andere Zwischeninstanzen verzichten. Eigene Verträge sollen es zum Beispiel Musikern ermöglichen, ihre Lieder unabhängig von Plattenfirmen zu vertreiben. Wie Joseph Lubin, Gründer der Blockchain-Plattform Ethereum, erklärt. Er will das CloudGeschäft revolutionieren. Daten sollen auf privaten und dezentralen Speicherkapazitäten lagern. Wer Rechenkraft zur Verfügung stellt, soll in Form nicht kopierbarer Tokens (Ethers) bezahlt werden. Ein Angriff auf Tech-Riesen wie Amazon, Google oder Apple.
Einen weiteren bedeutenden Paradigmenwechsel rief Zukunftsforscherin Webb aus: „Den Anfang vom Ende des Smartphones. “ Mit Sprachassistenten wie Amazons Echo oder Apples Siri habe der Bildschirm ausgedient. Smarte Geräte erkennen ihre Eigentümer an ihren Stimmen oder — sofem kamerafähig — am Gesicht. In China hat Alibaba bereits Kassensysteme eingeführt, bei denen Kunden den Einkauf mit einem Lächeln abwickeln. Parallel testet Amazon den smarten Supermarkt, der den Einkauf beim Griff ins Regal registriert — ohne Kasse.
Die neuen Geräte sollen smarte Ringe, Uhren, Kopfhörer und Brillen sein, die per Augmented oder Virtual Reality neue Erlebnisse schaffen und Bedürfnisse erkennen, bevor sie entstehen. Den Durchbruch erwartet Webb mit sinkenden Preisen. Für die meisten Nutzer indes ist ihr Smartphone noch Zentrum ihrer digitalen Welt. Doch die South by Southwest war ihnen schon immer Jahre voraus.