Rolls-Royce, nach eigener Auffassung Hersteller von „Best Cars of the World“ muss seine Innovationssprünge sorgfältig kalkulieren. Für die Entwicklung der achten Generation ihres Spitzenmodells Phantom, mit bisher 92 Jahren Bauzeit die traditionsreichste Typenreihe der Automobilbranche, hat sich die Luxusmarke daher viel Zeit gelassen: 14 Jahre sind seit der Premiere des Vorgängers vergangen.
Die Sorgfalt hat sich gelohnt: Der neue Phantom wirkt zwar noch immer wie ein Brontosaurier mit einer Schnauze in Form einer verchromten Akropolis. Schon die Standardversion misst 5,76 Meter, der vergrößerte Radstand bringt ihn auf knapp sechs Meter Länge. Doch verbirgt sich hinter der noch immer weitgehend handgearbeiteten Karosse – die Montage jedes Phantoms benötigt 1200 Mannstunden — feinste Technik. Und die macht das Fahren einmalig.
Ich erprobe das mächtige Gefährt auf den Gebirgsstraßen um den Vierwaldstättersee. Der neu entwickelte V-12-Zylinder läuft so ruhig, man spürt nicht die leiseste Vibration. Da zudem ein Drehzahlmesser fehlt Rolls-Royce beharrt auf einer Analoganzeige für die Leistungsreserve —, kann ich bei Ampelstopps schwer beurteilen, ob der Phantom brav im Leerlauf schnurrt
oder sich abgeschaltet hat. Aber keine Sorge: Eine Start-Stopp-Automatik, eine Zylinderabschaltung oder ähnlich modernen Spritspar-Schnickschnack gibt’s bei Rolls-Royce nicht. Die für die Marke wichtige US-Kundschaft würde das nicht goutieren, sagt Rolls-Royce-CEO Torsten Müller-Ötvös. Und ein Abwürgen dürfte mit der daunenweich arbeitenden Wandlerautomatik kaum möglich sein. Auto läuft also. Das Wundergetriebe wird vom Navisystem des Phantom so angesteuert, dass es bei Bedarf vor einer Kurve oder einem Anstieg zurückschaltet. Dadurch verteilt sich das schon bei 1700 Touren anliegende Drehmoment von gewaltigen 900 Newtonmetern noch samtiger auf den Vortrieb und dämpft den Motorsound zusätzlich. Die mit Schaum gefüllten Riesenreifen erzeugen fast kein Rollgeräusch.
Doch wozu auf technischen Details herumreiten? Eine Fahrt im Phantom ist der ultimative Genuss — egal ob man hinterm Steuer oder im Fond sitzt. Das Cockpit ist durch eine aufwendig verarbeitete „Art Gallery“ komplett neugestaltet, erlaubt den Einbau eigens angefertigter Kunstwerke. Das Leder der Sessel duftet wie kein anderes, und das individuell gestaltbare Sternenhimmeldekor aus LED-Leuchten lässt von Südseenächten träumen. Was auf Schweizer Serpentinenstrecken manchmal etwas irritiert.