Spätestens wenn sich Rentner im Wartezimmer über eine „neue“ Geldanlage unterhalten, sollte man sein eigenes Investment in dieser Assetklasse überprüfen. Dieser allgemeine Ratschlag hat eine aktuelle Wahrheit: den Bitcoin. Sein Kursanstieg von April bis Ende 2017 von rund 1.000 auf über 16.000 Euro bescherte eine Rendite von 1.500 Prozent. Die „Bild“-Zeitung nannte die Entwicklung Mitte Dezember „die schärfste Kurve des Jahres“. Spätestens jetzt war der Kryptowährungs-Hype Gesprächsthema in jeder Arztpraxis. Mit bösen Folgen für alle, die noch schnell was vom Kuchen abhaben wollten. Bis Anfang Februar 2018 stürzte der Kurs auf unter 5.500 Euro. Im ungünstigen Fall also ein Minus von 66 Prozent.
BITCOIN, ETHEREUM UND RIPPLE
Der Bitcoin ist zwar bis heute die populärste und auch kapitalstärkste Digitalwährung, doch bei Weitem nicht mehr die einzige: Mittlerweile sind über 1.500 Kryptowährungen am Markt. Rund zwei Drittel der gesamten Marktkapitalisierung stellen die drei größten Anbieter: Bitcoin, Ethereum und Ripple . Die Anwendungsbereiche der drei Systeme unterscheiden sich jedoch grundlegend.
Bitcoins und das dazugehörige Netzwerk unterliegen keiner institutionellen Kontrolle und werden dezentral von den Nutzern selbst generiert, bis die maximale Bitcoinmenge von 21 Millionen erreicht ist. Doch was bedeutet „generiert“? Dazu muss man sich die Technologie anschauen, auf der unter anderem das Bitcoin-System basiert — die sogenannte Blockchain. Alle Transaktionen, die in einem bestimmten Zeitraum stattfinden, werden gesammelt und in Blöcken zusammengefügt. Sogenannte Miner verifizieren die Transaktionen und wandeln sie in einen Code aus Buchstaben und Zahlen um. Dieser umgewandelte Datensatz wird auch Hash genannt. Die einzelnen Blöcke werden dann zu einer Kette zusammengefügt. Da jeder Hash eines Blocks den Hash des vorherigen Blocks verwendet, entsteht eine in sich geschlossene Kette.
Während sich Bitcoins durch die Blockchain zum tatsächlichen Abwickeln von Bezahlungen eignen, nutzt Ethereum das System hauptsächlich für sogenannte Smart Contracts. Die Bedingungen dieser „intelligenten Verträge“ werden automatisch überprüft und ausgeführt. Beispielsweise werden Zahlungen erst dann automatisch freigegeben, wenn alle an sie geknüpften Bedingungen erfüllt sind. Die Anwendungsvielfalt, Schnelligkeit und Einfachheit der erst 2015 in Betrieb genommenen Kryptowährung gelten als so enorm, dass bereits diverse Banken und Finanzinstitute damit arbeiten. Ripple schlägt im Vergleich einen anderen Weg ein. Die Kryptowährung setzt nicht auf eine Blockchain als Verwaltungssystem, sondern auf ein Verzeichnis von Schuldverschreibungen, den IOU (I Owe You). Diese Schuldscheine können in Ripples eigener Währung XRP, aber auch in jeder anderen beliebigen Währung aufgelegt sein. Damit soll es vor allem Banken und anderen Finanzdienstleistern ermöglicht werden, Geld in Sekundenschnelle sicher auszutauschen.
DIE BEIDEN SEITEN DER KRYPTO-MÜNZE
Vielseitigkeit, Schnelligkeit, Sicherheit, kaum institutionelle Regulierungen, eine oft dezentrale Verwaltung: Die Vorteile von Kryptowährungen liegen auf der Hand. Nicht ohne Grund war die Entwicklung des Bitcoins eine Reaktion auf die globale Finanz- und Wirtschaftskrise der Nullerjahre. Dass für eine solche private EmisSion von Geld auch ein Markt existiert, zeigen sowohl die Anzahl an bestehenden Kryptowährungen als auch die teilweise enormen Wertsteigerungen im vergangenen Jahr.
Experten wie Dave Chapman prognostizieren auch weiterhin einen positiven Trend. Der Managing Director von Octagon Strategy geht davon aus, dass der Preis für einen Bitcoin im Jahr 2018 auf bis zu 100.000 US-Dollar steigen kann. „Ob die Entwicklung ungebremst weitergeht, darf bezweifelt werden. Diese noch junge Form von Wertaufbewahrungsmitteln wird sich vermutlich zu einer anerkannten Assetklasse entwickeln. Der Weg dorthin wird aber von erheblichen Schwankungen, Rückschlägen und neuen Meilensteinen gepflastert sein“, relativiert Marc Pasdag, geschäftsführender Gesellschafter des Prometheus-Unternehmensverbunds, die Einschätzung.
Nicht erst seit diesem Jahr mehren sich die kritischen Stimmen. So warnte beispielsweise Felix Hufeld, Chef der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), private Anleger vor Investitionen in Kryptowährungen: „Es handelt sich um höchst spekulative Vorgänge mit der Möglichkeit des Totalverlustes.“ Auch die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) fordert eine schärfere Regulierung. Zentralbanken und Aufsichtsbehörden müssten frühzeitig eingreifen, um eine Gefahr für die Finanzstabilität zu verhindern, sagte BIZ-Generaldirektor Agustin Carstens Anfang Februar in Frankfurt laut vorab verbreitetem Redetext. Auch von staatlicher und umweltpolitischer Seite (siehe Interview) werden Transaktionen mit Kryptowährungen zunehmend erschwert. So hatte China bereits 2017 den Handel schärfer reguliert, während in Südkorea über ein komplettes Verbot beraten wird.
KÖNNEN PRIVATANLEGER PROFITIEREN?
Seit Mitte Dezember 2017 werden an den beiden Optionsbörsen CBOE und CME Bitcoin-Futures gehandelt. Mit diesen Terminkontrakten können Investoren aufsteigende und fallende Kurse der Cyber-Devisen setzen.
Auch die Deutsche Börse erwägt die Einführung von Bitcoin-Futures. Ob sich eine Investition für Privatanleger zum momentanen Zeitpunkt lohnt, sieht Prof. Dr. Peter Scholz von der Hamburg School of Business Administration eher skeptisch: „Im Moment ist es eher ein Experiment und Instrument für Spekulanten. Für einen konservativen Sparbuchsparer sind der Bitcoin und andere Kryptowährungen völlig ungeeignet. Spekulative Anleger, die auch sonst in Nebenwerte, Technologieaktien, Optionsscheine oder Hebelzertifikate investieren, werden sich von der hohen Volatilität nicht abschrecken lassen. „