Hamburg. Es gab Tage, da kam Hermann Weigold auf seine Felder und musste erst mal schauen, wohin er den Fuß setzen konnte. „Alle paar Meter lag ein Hundehaufen“, sagt der Heidelberger Landwirt.
Vier Feldwege führen aus der Stadt durch die Anbauflächen im Stadtteil Handschuhsheim — es sind hochfrequentierte Gassistrecken. „Im Neubaugebiet hat ja fast jeder einen Hund“, sagt Weigold, „und die Tiere können halt nicht unterscheiden, ob sie auf den Rasen maChen oder zwischen Erdbeeren und Blumenkohl.“ Er baut Salat an, vor allem aber Stachel- und Heidelbeeren sowie anderes Obst. „Ich liefere an Supermärkte“, sagt Weigold. „Wenn an meiner Ware Keime gefunden werden, kann ich einpacken.“
Immer wieder haben Weigold und seine Kollegen vom Handschuhsheimer Feld die Spaziergänger angesprochen — ohne Erfolg. „Die sagten dann, mein Hund darf laufen, wo er will“, klagt der Landwirt. Schließlich bat Weigold die Stadt um Hilfe. An jedem Zugangsweg stehen nun Tütenspender und Mülleimer. Seither, sagt Weigold, sei die Lage entspannter, die Container stets voll: „Die Leute haben es wohl kapiert.“
Andernorts ist der Dauerstreit zwischen Bauern und Hundefans noch voll im Gange. Landauf, landab wettern Landwirte über rücksichtslose Halter. Baden-Württembergs Landesbauernverband hat soeben sein Merkblatt zum Thema Hundekot auf Feldern in Zehntausender-Auflage neu gedruckt; der Flyer wird in manchen Gemeinden gleich mit dem Hundesteuerbescheid verschickt.
Auch Warnschilder („Hundekot kann die Ernte verschmutzen und Krankheiten übertragen“) können die Mitglieder beim Verband bestellen. „Die stehen aber meist nicht lange“, sagt Ariane Amstutz vom Bauernverband. Das Kotproblem betreffe alle Mitglieder, „vom Ackerbaubetrieb bis zum Weinbauern“.
Längst nicht jeder Betroffene ist so friedfertig wie Beerenbauer Weigold. Im bayerischen Obermeitingen scheuchte 2014 ein Traktorfahrer drei Hundehalterinnen mit gesenkter Frontladergabel von seiner Wiese — zuvor soll er gedroht haben, die Hunde zu meucheln. Im Folgejahr bewarf, ebenfalls im Freistaat, ein Bauer eine Frau mit Hundekot — sie hatte ihre Vierbeiner auf eine Fläche rennen lassen, die der Landwirt gerade mähte. Dass er ihr, wie auch berichtet, die Fäkalien gar über Kleidung und Gesicht geschmiert habe, wies der Wutbauer von sich.
Rund acht Millionen Hunde leben in Deutschland. Bei täglich zwei Haufen ä 60 Gramm, so rechnet es die „Initiative gegen Hundekot in Deutschland“ (Ighid) vor, Ianden jeden Tag 948 000 Kilo Hundedreck auf Wiesen, Wald- und Gehwegen und eben auch in Feld und Flur, 346 Millionen Kilo im Jahr. Nur ein Teil davon, mahnt Ighid, werde vorschriftsmäßig aufgesammelt und entsorgt.
Ärgerlich ist das für alle — kaum jemand kratzt Hundekot aus dem Profil von Kinderschuhen, ohne Nachbars Fiffi zu verfluchen. Wer Nahrungsmittel und Tierfutter anbaut, hat aber weiterreichende Probleme.
„Kein Landwirt möchte, dass ihm ein Hund auf den Salat macht“, sagt Ute Mackenstedt, Parasitologin an der Universität Hohenheim. Auch die Nahrung der Nutztiere wachse auf den Feldern: „Auf der Weide würden Kühe kein verschmutztes Gras fressen“, so die Wissenschaftlerin,„aber wenn der Bauer im Stall abgemähtes Gras füttert und darin Hundekot verteilt ist, lässt es sich nicht vermeiden.“
Wenn es ganz schlecht läuft, gelangen dadurch Eier des Parasiten Neospora caninum ins Tierfutter. Der Einzeller vermag Totgeburten bei Rindern auszulösen. Rund zwei Prozent der Haushunde, sagt Mackenstedt, trügen den Keim im Körper und könnten ihn weitergeben.
Allerdings ist laut einer Hohenheimer Doktorarbeit zur „Belastung von ausgewählten landwirtschaftlichen Grünlandflächen mit Hundekot“ die Wahrscheinlichkeit „einer durch Hundekot assoziierten Infektion anderer Tiere oder des Menschen eher gering“. Und rein statistisch, das ergab eine Modellrechnung des Bundesinstituts für Tiergesundheit, müssten sich während der Weidesaison 87 Hunde täglich auf einem bestimmten Grünlandbereich erleichtern, damit sich für einen Rinderbestand das Risiko von Totgeburten erhöht.
Doch dass, wie die Autoren folgern, „solche Begehungsintensitäten durch Hunde auf Grünlandarealen in der Regel nicht erreicht werden“, beruhigt kaum einen Bauern, der um seine Kühe bangt.
Dazu kommt der Ekelfaktor. „Zur verantwortungsvollen Hundehaltung gehört, dass man den Kot einsammelt“, sagt Mackenstedt. Das, so zeigt es die Praxis, tun Herrchen und Frauchen allenfalls dann, wenn Städte und Gemeinden die Gassirunde großzügig mit Beutelspendern ausstatten.
Sauber eingetütet allerdings, bergen die Hinterlassenschaften neues Nervpotenzial: Nicht alle Hundehalter wollen das Stinkesäckchen bis zum nächsten Mülleimer schleppen. „Seit Kurzem beobachten wir, dass die Leute volle Tüten auf den Acker schleudern“, sagt Bauernverbandsfrau Amstutz.
Der verseuchte Plastikmüll im Erntegerät oder auf der Wiese erbost die Landwirte — zumal diese laut Amstutz ohnehin schon regelmäßig Bälle und Stöcke aus dem Heu klauben müssen. Die werden als Hundespielzeug aufs Feld geworfen.