Frankfurt/Main. Seit gut einem Jahr ist Frankfurts „Fressgass“ unweit der Alten Oper, wo sich die Finanzszene zum Mittagessen trifft, um eine Attraktion reicher: Der US-Autohersteller Tesla hat hier eine Filiale eröffnet, gleich neben dem Apple Store. So ist der technologische Schrecken der globalen Autohersteller jederzeit sichtbar auch für die Fondsmanager, die Milliarden anlegen müssen.
Viele Banker nutzen die Gelegenheit, sich aus erster Hand einen Eindruck der Tesla-Modelle zu verschaffen. So wie Marcus Poppe, Fondsmanager der Deutsche-Bank-Tochter Deutsche Asset Management. Das Duell von Tesla mit den deutschen Autoherstellern ist für ihn Symbol des bekannten Kampfs „Alt gegen Neu“. Kürzlich setzte auch er sich mal in einen Tesla und staunte über Spaltmaße und klappernde Armaturenbretter. „Viele Probleme, die Massenhersteller schon lange hinter sich haben, kommen auf Tesla erst noch zu“, sagt Poppe. Erst recht bei den Prestigepreisen.
Die Anhänger und Aktionäre ficht das nicht an. Sie sind überzeugt von den Produkten, vom Wachstum ihres Unternehmens und vom charismatischen Elon Musk an der Spitze. Die Bewertung ist entsprechend grotesk. Tesla ist defizitär, finanziert sein Wachstum trotz „Ramsch“-Rating vor allem über neue Schulden und machte zuletzt ungefähr so viel Umsatz wie BMW an Gewinn: rund 7 Mrd. Euro. Dabei verkauft Tesla pro Jahr so viele Autos wie der US-Hersteller General Motors in drei Tagen. Eine fundamentale Analyse eines solchen Hoffnungswerts ist kaum möglich. US-Fondsmanager Tariq Dennison von GFM Asset Management versucht zumindest eine Näherung: Demnach muss Tesla seine Umsätze in den nächsten zehn Jahren um 30 Prozent pro Jahr steigern und seine aktuelle Marge von 30 Prozent konstant halten, um auch nur annähernd in seinen aktuellen Börsenwert von rund 50 Mrd. Euro hineinzuwachsen. „Die größte Bedrohung für Tesla ist nicht, ob irgendein Autohersteller ein besseres Elektroauto herstellt, sondern ob jemand in der Lage ist, ein 20 Prozent schlechteres 40 Prozent billiger herzustellen“, warnt Dennison. „Viele Investoren sehen Tesla nicht als Autohersteller, sondern als Technologiekonzern“, sagt Karsten Stroh, Aktienexperte bei JP Morgan Asset Management. So könnte ein Teil der Bewertung immerhin mit dem Markennamen und dem intellektuellen Kapital der Firma begründet werden.
Aber reicht das für einen Konzern, der auch zu einem Spielball von Spekulanten geworden ist? Denn rund ein Viertel aller frei verfügbaren Aktien von Tesla sind derzeit an Spekulanten verliehen worden, die auf fallende Kurse setzen. Das ist ein Indiz für einen baldigen starken Kursausschlag: Behalten die Leerverkäufer recht, kollabiert der Kurs. Klettert er aber weiter wie in den vergangenen Jahren binnen drei Jahren hat sich der Kurs verdreifacht -, müssen sich die Leerverkäufer eindecken und beschleunigen den Kursanstieg nochmals.
Tristesse herrscht derweil bei Teslas Rivalen BMW, Volkswagen und Daimler. Genau deshalb hat Deutsche-Asset-Manager Poppe zuletzt damit begonnen, deutsche Autohersteller und ihre Zulieferer zuzukaufen. Situationen wie derzeit reizen den auf Substanzaktien spezialisierten Fondsmanager. „Die meisten stellen sich nun den Herausforderungen der Elektromobilität und haben auch die für die Investitionen nötigen Mittel“, sagt Poppe.
Ihn wundert die börsliche Kollektivstrafe der Branche: So haben etwa die deutschen Hersteller Daim1er, BMW und Volkswagen von den Höchstkursen Anfang 2015 zwischen 35 und 50 Prozent verloren – obwohl sie in unterschiedlichem Maße vom Dieselskandal betroffen sind. Gleichwohl erwirtschafteten sie im abgelaufenen Geschäftsjahr einen kumulierten Nettogewinn von rund 22 Mrd. Euro. Mit Kurs-Gewinn-Verhältnissen zwischen sechs und acht und Dividendenrenditen zwischen fünf und sechs Prozent unterstellen die Bewertungen bereits einen deutlichen Geschäftseinbruch. Dass die Gewinne sinken, steht für die meisten Investoren außer Frage. Arndt Ellinghorst, Analyst der Investmentbank Evercore, hält die Debatte über das Ende des Verbrennungsmotors dennoch für hysterisch. „Selbst unter optimistischen Annahmen für das Wachstum elektrischer Antriebe wird der Marktanteil der Verbrennungsmotoren von aktuell 99 Prozent eher langsam auf 50 Prozent im Jahr 2035 herabgleiten“, glaubt Ellinghorst.
Das gäbe den alten Masseherstellern einerseits Zeit, noch viel Geld mit Verbrennern zu verdienen. Zugleich aber hätten sie die Reserven, um auch Technologiesprünge im Elektroantrieb und dem autonomen Fahren zu forcieren.
Geduldige Anleger können bei den Autoherstellern auch mit einem über die Branche diversifizierten ETF auf Schnäppchenjagd gehen: etwa dem Comstage-ETF auf den Stoxx-Europe-600-AutomobilesIndex (ISIN: LU 037 843504 3, Kosten: 0,25 Prozent p. a.). Die drei großen deutschen Hersteller bilden darin den Anlageschwerpunkt mit 45 Prozent des Fondsvermögens.