Berlin. Wenn der Rückhalt in den eigenen Reihen schwächer wird, und der Wind einem stattdessen voll ins Gesicht bläst, dann wird es Zeit, die eigene Person und Position zu überdenken und mit sich selbst kritisch ins Gericht zu gehen. Doch was macht Angela Merkel? Sie hält nicht viel davon, Fehler einzugestehen, sondern versucht zur Tagesordnung überzugehen. Doch damit kommt sie in den eigenen Reihen nicht durch – schon gar nicht bei möglichen Koalitionspartnern und politischen Gegnern. Und jetzt das Debakel bei der Niedersachsen-Wahl: Nun kommt auch noch Finanzminister Schäuble daher, und übt heftige Kritik an der Kanzlerin. Könnte das der Anfang vom Ende der Ära Angela Merkel sein? Gibt es vielleicht ohne Merkel den Neu-Anfang, den alle erhoffen, aber der sich in dieser Konstellation nicht erreichen lässt?
Viele munkeln es bereits hinter vorgehaltenen Hand: „Die Kanzlerin hat fertig!“ Nicht nur in der eigenen Partei wird die Entrüstung über Merkels Politikstil immer lauter, auch in der Schwesterpartei CSU rumort es heftig, Seehofer und Stoiber attackieren sie ungewöhnlich scharf. Denn für die CSU war der Wahlabend traumatisch. So sagte der Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber: “Das Wahlergebnis ist eine historische Zäsur für die Union.“ Von einer existenziellen Krise ist im Weiteren die Rede. Verantwortlich für all das: Angela Merkel. Doch diese gibt sich erhaben über alle Probleme und weist die Schuld von sich. Selbst für das Debakel bei der Wahl in Niedersachsen will sie nicht auf ihre Kappe nehmen. Sie sei nicht schuld, dass die Wähler der CDU/CSU den Rücken kehren. Doch das sehen viele gewaltig anders.
Merkel hat sich wie es aussieht einfach abgenutzt. Da werden Phrasen gedroschen, da wird in wichtigen Fragen und Entscheidungen rumgeeiert, da offenbaren sich Defizite bei der Bewertung von Situationen wie der Flüchtlingskrise, bei der die Kanzlerin keine eigenen Fehler erkennen will, da gibt es Probleme bei den Koalitionsverhandlungen, da kommt es laufend zu Fehleinschätzungen der eigenen und der politischen Situationen. Vielleicht hätte der ehemalige Ziehvater Helmut Kohl der in Hamburg geborenen und im Osten aufgewachsenen Ehrgeiz-Politikerin einen wichtigen Ratschlag geben können, was nun zu tun sei, aber so wie es aussieht, hat sich alles gegen sie verschworen. Die Frage ist, wie man einen Weg finden könnte, um die amtierende Kanzlerin aus dem Zentrum der Macht zu befördern, ohne dass es nach einem Rausschmiss aussieht. Denn nach den Ergebnissen aus der Bundestags- und Niedersachsenwahl kann man nicht einfach so zur Tagesordnung übergehen. Jetzt muss gehandelt werden, es müssen Ergebnisse her. Diese kann man aber von Merkel nicht erwarten. So scheint nun der Stern der einst mächtigsten Frau der Welt, wie die New York Times seinerzeit titelte, langsam aber sicher unter zu gehen. Es geht nicht mehr um persönliche Belange und Eitelkeiten, es geht um die Zukunft eines Landes. Kulturell, politisch und ideologisch. Merkel macht den Fehler, die Wahlergebnisse nicht anzunehmen, quasi beratungsresistent ignoriert sie den aufkommenden Unmut, kann sich im Grunde genommen nur noch in ihrer internationalen Ausrichtung profilieren. Doch im eigenen Land, da wo sie gebraucht würde, offenbart sich Versagen. Massives Versagen. Zu vielschichtig sind die Probleme, die bewältigt werden müssen. Die Kompetenz, Aufgaben vernünftig zu delegieren, scheint verloren gegangen. Das muss man erkennen, und dann die Reißleine ziehen. Frau Merkel hat eine Menge bewegt, aber nun ist es Zeit für Reformen und einen Umschwung. Doch wer hat in solch einer Situation die Größe, vom hohen Podest der Macht freiwillig herabzusteigen, und den Weg für andere frei zu machen? Das wird nach 27 Jahren politischen Strebens nicht einfach werden. Doch es geht am Ende um die Neu-Ausrichtung einer CDU und einer ganzen Nation – allerdings ohne Angela Dorothea Merkel, geborene Kasner.