Frankfurt/Main. Ihr Job sei der spannendste bei der Deutschen Börse, hat Hauke Stars vor längerer Zeit einmal gesagt. Ihre damalige Euphorie bezog die Vorstandsfrau des Dax-Konzerns auf ihr Aufgabengebiet, das die Pflege des Kassamarktes und die Arbeit mit Start-ups umfasst.
Inzwischen, einen gescheiterten Fusionsversuch mit der Londoner Rivalin LSE später, ist Stars‘ Tagwerk noch viel aufregender: Sie und ihr Vorstandskollege Jeffrey Tessler, verantwortlich für Kunden und Produkte, haben nichts weniger als die Zukunft des schwer angeschlagenen CEOs Carsten Kengeter in der Hand.
Sie müssen im Namen des Vorstands entscheiden, ob die Börse das von der Frankfurter Staatsanwaltschaft angedrohte Bußgeld von 10,5 Millionen Euro zahlt. Das verlangen die Ermittler dafür, dass sich Kengeter im Dezember 2015 für 4,5 Millionen Euro mit Börse-Aktien eingedeckt und Gratisanteilsscheine in ähnlichem Umfang erhalten hatte — während er parallel heimlich mit der LSE gesprochen haben soll.
Dieses mögliche Insidergeschäft, das die Börse bestreitet, sowie die Tatsache, dass die Öffentlichkeit erst im Februar 2016 über die LSE-Gespräche informiert wurde, wollen die Ermittler per Buße ahnden; im Gegenzug könnten sie die Ermittlungen gegen Kengeter einstellen. Aufsichtsratschef Joachim Faber, dem CEO in Nibelungentreue verbunden, will den Deal möglichst rasch, um danach dessen im März 2018 auslaufenden Vertrag zu verlängern.
Bis 15. September muss sich die Börse entscheiden, zunächst aber der Vorstand zustimmen. Doch Kengeter ist naturgemäß gesperrt, genauso wie sein Vize-CEO und IT-Vorstand Andreas Preuß sowie CFO Gregor Pottmeyer, die von Beginn an in die LSE-Gespräche eingeweiht waren. Entscheiden müssen also der US-Amerikaner Tessler, der zum Jahresende in Rente geht, und eben Hauke Stars, die zu Kengeter ein spezielles Verhältnis hat, seit der CEO der Informatikerin die Kompetenz für den IT-Bereich entzogen hat.
Vor allem Stars quält sich mit der Entscheidung, denn die Causa ist komplex und die Frau gewissenhaft. Zusätzliche Finesse kommt von der Finanzaufsicht BaFin sowie Hessens Börsenaufsicht. Sie wollen prüfen, ob Kengeter überhaupt „zuverlässig“ genug ist, um seinen Job weiter auszuüben — jedoch erst nach Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen. Sprechen die Behörden dem CEO die Eignung ab, wäre das ein Schlag ins Gesicht derer, die Kengeter stützen — also indirekt auch Stars und Tessler, falls die dem Deal zustimmen.
Vom Aufsichtsrat, der nach dem Vorstand über den Ablasshandel befinden muss, ist keine Hilfe zu erwarten. Dort ist das Meinungsbild diffus. Und über allem schweben mögliche Klagen von Aktionären, die etwas dagegen haben könnten, dass der Konzern für Kengeter zahlt.
Bloß: Lehnt Stars einen Deal einfach ab, wäre das eine offene Kampfansage an Kengeter sowie dessen Groupie Faber.
Um sich abzusichern, hat sie mehrere Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Bis die vorliegen und Stars sowie Tessler entscheidungsfähig sind, wird es dauern — was wiederum Fabers Pläne durchkreuzt, Kengeters Kontrakt rasch zu prolongieren weswegen der Aufsichtsratschef nun kräftigen Druck auf Stars ausübt. Sicher ist: Der Spaß an ihrem Job war für Hauke Stars schon mal größer.