Karlsruhe. Fast könnte man von einem Freibrief für Gauner, Ganoven und Gesetzesbrecher sprechen: Die Überlastung deutscher Gerichte sorgt dafür, dass viele Fälle spät oder gar nicht bearbeitet werden, oder dass Verfahren eingestellt werden mangels Personal. Dieser Zustand ist mehr als alarmierend, denn Straftäter fühlen sich noch sicherer als früher, wenn sie ihre Taten begehen und erst einmal nicht mit Strafverfolgung im herkömmlichen Sinn rechnen müssen. Dazu kommen tausende Klagen von abgelehnten Asylbewerbern – man spricht von aktuell 250.000 Verfahren – die unsere Gerichte belasten und Richtern und Verwaltungsangestellten das Leben schwermachen. Die Vermutung, dass irgendwann in naher Zukunft „alles mal zusammenbricht“, wie es aus deutschen Gerichtssälen zu hören ist, ist derzeit nur eine böse Vorahnung. Doch immer mehr staatliche Bedienstete brechen unter der Arbeitslast zusammen: was folgt sind Krankmeldungen, und noch weitere Verzögerungen.
Alle 18 Minuten verklagt ein Berliner sein Jobcenter. Täglich werden in der Poststelle des Sozialgerichts rund 2000 ! Schriftstücke gestempelt. 40.000 unbearbeitete Fälle stapeln sich dort. Das Gericht müßte eigentlich 1 Jahr lang schließen, um alle Fälle zu bearbeiten. Und das ist nur ein Beispiel von vielen. Und es wird täglich deutlicher: Es fehlt an Richtern, Staatsanwälten und zeitgemäßer Ausstattung. Und das Schlimme ist: Da zu wenig Personal am Start ist, werden auch brisante Fälle von Gewalt und Terrorverdacht eingestellt, solche, die im Interesse der Gemeinschaft aber unbedingt bearbeitet werden müßten. „Es knirscht in der deutschen Strafjustiz an allen Ecken und Enden“, so Jens Gnisa, Vorsitzender des deutschen Richterbundes. „Der Bürger spürt das und zweifelt zunehmend an der Sicherheit im Land.“ Und damit haben wir eigentlich eine rote Linie überschritten, nämlich in so weit, dass die Sicherheit der Bevölkerung an vorderster Stelle stehen sollte. Da ist auch der Innenminister dringend gefragt, wie er sich Lösungen vorstellen kann, um diese Misere in den Griff zu bekommen. Denn laut dem Deutschen Richterbund (DRB) müssen mindestens 2.000 neue Stellen im deutschen Gerichtswesen geschaffen werden, während bis 2030 bundesweit etwa 40% der Bediensteten aus Altersgründen ausscheiden. Das sind ungefähr 10.000 Richter und Staatsanwälte. Wenn man sich diese Zahlen tatsächlich vor Augen hält, weiß man was das für die deutsche Justiz bedeutet: Das System wird kollabieren, und die Zahl der Straftaten wird sprunghaft ansteigen. Dann nähern wir uns den Verbrechenszahlen von Brasilien und Amerika, wo heutzutage niemand ernsthaft leben möchte, weil er tagtäglich Angst um sein Leben haben muss. Spätestens dann wird vielen bewußt werden, in welchen paradiesischen Verhältnissen wir in Deutschland all die Jahre gelebt haben. Die Straftäter haben das längst gemerkt, denn sie legen nach und nach den Respekt vor Polizei und Justiz ab und treiben ihr Unwesen.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache
Ein Richter für Zivilsachen am Amtsgericht hat pro Jahr etwa 585 Fälle zu bearbeiten, die im Schn itt 4,8 Monate dauern. Ein Strafrichter muss etwa 360 Fälle bearbeiten. Durchschnittsdauer 4 Monate. Doch die Verfahren sind komplexer und internationaler und damit langwieriger geworden. Dazu kommen Verfahren, die neuartig sind, z.B. wenn Kriegsverbrecher angeklagt werden. Die Prozessdauer hat sich in den letzten Jahren um einen ganzen Tag verlängert, rechnet man das auf die Anzahl hoch, weiß man, warum das System marode ist, warum die Bevölkerung den Glauben an die Justiz verliert. Auch dazu gibt es verlässliche Statistiken. Diese sagen aus, dass seit 2014 der Vertrauensverlust der Menschen um 4-8% gestiegen ist, weil die Bürger die Verfahren für zu lang halten. Oder weil die Leute das Gefühl haben, mit ihren Problemen nicht richtig ernst genommen zu werden. Außerdem werden aufwendige Prozesse geführt, wo man nach Volkes Meinung einen viel kürzeren „Prozess“ machen könnte. Wie beispielsweise bei Abschiebungen, Ausweisungen oder Asylablehnungen. Das ist dann u.a. der Grund dafür, dass Verfahren eingestellt werden, die eigentlich weitergeführt werden müßten. Ein Trend, der problematisch ist. Immer öfter flüchten sich Richter in die Behauptung, dass es wegen geringer Schuld ein zu geringes Interesse an dem Fall gäbe. Das berechtigt sie dann dazu, einzustellen. Doch so kann es nicht weitergehen. Denn die innere Sicherheit in Deutschland kann nur gewährleistet werden, wenn die Kette Polizei-Staatsanwaltschaft-Gericht funktioniert. Und das tut sie offenbar nicht. Wenn man aber nachfragt, wie es mit konkreten Ideen oder Finanzierungskonzepten aussieht, folgt peinliche Stille. Heiko Maas als Bundesjustizminister jedenfalls hat schon einmal festgestellt, dass es nicht so weit kommen darf, dass der Mangel von Richtern und Staatsanwälten in den Ländern zu einer Gefahr für die innere Sicherheit werden könnte. Doch konkrete Lösungsansätze hat auch er nicht.