Washington. Seit Kurzem sitzt im amerikanischen Parlament ein Schläger. Greg Gianforte hat die Nachwahl im US-Bundesstaat Montana gewonnen – einen Tag, nachdem er einen ihm lästigen Journalisten zu Boden geworfen und geschlagen hat. Anschließend behauptete der Millionär, der Reporter sei auf ihn losgegangen. Inzwischen ist er vom Gericht zu 40 Stunden sozialem Dienst und 20 Stunden Aggressionsmanagement verdonnert worden.
Gianfortes Wähler hat der Vorfall offenbar nicht gestört. Genauso wenig, wie sich die Trump-Anhänger von den Verbalausfällen, Lügen und Peinlichkeiten beirren lassen, mit denen ihr Präsident den Rest der Welt bestürzt. Wie kann das sein?
Ein paar Wochen vor seinem Wahlsieg ist Gianforte zusammen mit dem Präsidentensohn Donald Trump jr. in Butte aufgetreten. Das Städtchen galt wegen seiner Goldund Silbervorkommen einst als reichster Hügel der Welt.
Heute sind die breiten Straßen zwischen den historischen Prachtbauten verwaist, im alten Rathaus behandelt ein Dermatologe Fußpilz. Gianforte begann seine Rede bei dem Outdoor-Event mit einer Anekdote: Einer dieser Ostküsten-Journalisten, erzählte er, habe ihn gefragt, ob und wie viele Gewehre er denn besitze. „Bislang ein paar Dutzend“, antwortete der Republikaner. Aber er kaufe ständig nach: „Die richtige Menge Waffen ist immer noch eine mehr.“ Das Publikum johlte und klatschte.
Der Bundesstaat Montana hoch im Nordwesten der USA ist größer als Deutschland, hat aber weniger Einwohner als Köln. Hier fährt man Pick-up und sorgt sich darum, ob auf der Farm die Wasserleitungen im Winter platzen, und nicht darum, welche Toiletten Transsexuelle benutzen dürfen. Das meiste von dem, worüber sich die Politjunkies in Washington den Kopf heißreden, ist hier nur Fernsehen vor dem Einschlafen. Zwischen Butte und der Hauptstadt der USA liegen 3 500 Kilometer und eine Lebenswelt.
Der Wahlkampf drehte sich um das Recht auf Waffenbesitz, nicht näher beschriebene, aber stets gepriesene „Werte Montanas“ und darum, dass jedermann zum Jagen und Fischen Zugang zu öffentlichem Land haben müsse. Trumps Twitter-Ausfälle interessierten die Menschen so wenig wie der Rausschmiss des FBI-Chefs, die zwielichtigen Verbindungen der neuen Administration zu Russland oder außenpolitische Verwerfungen. In den Reden Gianfortes und auch seines demokratischen Herausforderers kam Trump selten vor.
Gianfortes Angriff gegen den Reporter, so vermuten manche, hat ihm mehr genutzt als geschadet. Erst nach dem Sieg hat er sich bei dem Reporter entschuldigt und 50 000 Dollar an eine NGO gezahlt, die sich für Pressefreiheit einsetzt. Schließlich hat der frischgebackene Kongressabgeordnete nun selbst ein Büro im „Sumpf“ von Washington.