Stuttgart. 600 PS aus der Batterie. Der Mission E ist Teil einer Strategie, mit der Porsche-Chef Oliver Blume die Dieselaffäre abschütteln will, bevor sie sein Unternehmen so lähmt wie die Schwestermarken VW und Audi. Deshalb plant er jetzt so radikal um wie sonst keiner in der deutschen Autoindustrie.
2020, spätestens aber 2021 soll ein Ableger des Mission E folgen. Ein SUV-Coupé, das auf der gleichen Produktionslinie gebaut wird – und über das außerhalb eines sehr kleinen Führungszirkels noch konsequent geschwiegen wird.
Schon 2022 kommt die nächste Revolution: der neue Macan. Das SUV, ein fast zwei Tonnen schwerer Koloss, ist Porsches meistverkauftes Auto. Die neue Generation will Blume auf der geplanten Premium-Plattform Elektro (PPE) bauen; den Macan wird es dann nur noch als reinrassigen Stromer geben.
Spielen die Kunden mit und geht Blumes Strategie auf, wird der Elektroanteil ausgerechnet beim Sportwagenbauer aus Zuffenhausen, der für die neue Autowelt so gar nicht gemacht schien, schneller steigen als bei der Konkurrenz – vom kalifornischen Angreifer Tesla mal abgesehen. Schon für den Mission E und seinen Ableger, nennen wir ihn Mission Y, sieht Porsche eine jährliche Kapazität von 60 000 Autos vor. Damit läge der E-Anteil bereits bei rund 20 Prozent, zwei, drei Jahre später wären es mit dem Macan 40 bis 50 Prozent.
Was in Stuttgart ursprünglich als Antwort auf Tesla geplant war, wird jetzt zunehmend zu einer Strategie für den Ausbruch aus der Dieselkrise, die Porsche erreicht hat. Wie der SPIEGEL jüngst berichtete, sollen die Stickoxidemissionen des SUV-Modells Cayenne erheblich höher sein als erlaubt. Motor und Getriebe des Cayenne Diesel seien so programmiert, dass die echten Abgaswerte bei Prüfstandtests unentdeckt blieben. Das verstoße gegen EU-Recht.
Der Sportwagenbauer, der die Motoren von Audi bezieht, habe womöglich mitmanipuliert, so der Verdacht. Porsche hält dagegen, man könne die Messungen bislang nicht nachvollziehen. Ein Restzweifel indes bleibt, auch intern. Das Kraftfahrzeugbundesamt will die Autos jetzt testen.
Schon vor dem Ärger um den Cayenne hatten Blume und seine Leute den Glauben an den Diesel verloren. Der stößt zwar weniger Kohlendioxid aus als ein Benziner, dafür aber umso mehr Stickoxide. Porsche kommt heute weltweit auf einen Dieselanteil von 16 Prozent, deutlich weniger als die Premiummarken Mercedes, BMW und Audi.
In den USA hat Blume den Abschied bereits vollzogen. Seit November 2015 wird der Cayenne dort nicht mehr als Diesel verkauft, zunächst gestoppt wegen der Abgasmanipulationen des VW-Konzerns. „Wir werden dort auch in Zukunft keine Dieselmodelle mehr anbieten“, sagt ein Vorstand.
Mission E und Y, dazu ein ausschließlich elektrischer Macan und der sofortige Einstieg in den Dieselausstieg: Porsche wird, wenn auch nicht ganz freiwillig, nach und nach zu einem deutschen Tesla. Anders als der Angreifer aus Kalifornien will Porsche mit den Elektroantrieben allerdings von Beginn an Geld verdienen, und zwar sehr viel Geld. Die weithin bewunderte Umsatzrendite von 17,4 Prozent soll auch in der neuen Ära nicht unter 15 Prozent sinken.
Gelingt dieser Umbau, dürfte er als Porsche-Paradoxon in die Lehr bücher eingehen. Ausgerechnet jener Hersteller, dessen Modelle die Welt mit am wenigsten braucht, ist Vorreiter des Wandels. Weil jeder die Autos haben will.
Während die Masse irgendwann autonom fährt, in praktische Robotertaxis steigt wie heute in die U-Bahn, setzen sich Porsche-Fahrer ab. Ihre Autos sind Luxus; teure Spielzeuge, die Spaß bieten und Status verleihen.
De facto sind Porsche-Kunden die ideale Elektroklientel, das bestätigen die Markttests des Konzerns. Wer einen Elektro-Porsche kauft, kann mit 10 000 oder 20 000 Euro Aufpreis leben. Der Mission E soll ohne jegliche Extras etwa 100 000 Euro kosten. Und natürlich haben die Besitzer auch eine Garage, um die Ladesäule unterzubringen.
Die Marke ist so stark, dass Sondermodelle wie der puristische 911R binnen Tagen ausverkauft waren; sie ist so begehrt, dass sie selbst bei Modellen funktioniert, die gar kein Sportwagenflair versprühen, wie Macan und Cayenne. Die beiden steuern zwei Drittel zum Absatz bei.
Marken, die gefeiert wurden und dann dramatisch absackten, gab es schon viele (Blackberry, Borgward, Bogner). Doch ein solches Schicksal wird Porsche nicht ereilen. Dazu ist das Unternehmen zu stark, zu etabliert und zu wendig.
Im Kern ist der Sportwagenbauer aus Zuffenhausen immer ein Mittelständler geblieben: unternehmerischer, sparsamer, schneller als der Rest des verkrusteten Volkswagen-Reichs. Ein Familienbetrieb, nur mit 22 Milliarden Euro Umsatz.
Zugleich profitiert Porsche wie keine andere Marke vom Konzernverbund und dem Zugriff auf modernste Technologien. Das Beste aus beiden Welten also – wenn man die richtigen Lehren aus der Vergangenheit zieht.
Anfang der 90er Jahre, da wäre die Marke fast untergegangen. Wendelin Wiedeking rettete das Unternehmen vor der Pleite — um es 15 Jahre später fast wieder zu ruinieren.
Am 23. Juli 2009 stand Wolfgang Porsche auf einem Podium in Zuffenhausen und wischte sich eine Träne aus dem Auge. Wiedeking verkündete vor Tausenden Mitarbeitern seinen Rücktritt; notgedrungen, nachdem er vergeblich versucht hatte, die um ein Vielfaches größere Volkswagen AG zu entern. Zwölf Milliarden Euro Schulden hatte er bei dem Übernahmepoker aufgetürmt. Als Retter sprangen diesmal die Scheichs aus Katar ein und eben der Volkswagen-Konzern.
Wolfgang Porsche wusste an diesem Tag, dass seine Sippe über ihre Beteiligung an Volkswagen Einfluss in Zuffenhausen behalten würde. Und doch: Sein Großvater hatte die Firma gegründet, sie trägt den Namen der Familie; für den Aufsichtsratschef fühlte es sich an, als würde er seine Seele verkaufen.
Heute, im Juni 2017, ist Porsche stärker als je zuvor, der Seelenfrieden wiederhergestellt. Im vergangenen Jahr setzte der Sportwagenbauer 238 000 Autos ab, 2009 waren es noch 75 000. Der operative Gewinn (Ebit) lag zuletzt bei 3,9 Milliarden Euro, Porsche steuerte damit 55 Prozent zum Konzernprofit bei.
2009 hatten die Schwaben noch 1,8 Milliarden Euro verbrannt. In Umsatzrendite gerechnet, bedeutet das: plus 17,4 gegenüber minus 26,5 Prozent. Arndt Ellinghorst, Analyst bei Evercore ISI, hat kürzlich errechnet, wie viel Porsche für sich genommen auf die Waage bringt; er hat den Sportwagenbauer dazu analog den Maßstäben bewertet, die die Börse beim italienischen Konkurrenten Ferrari anlegt. Das Ergebnis: 72,8 Milliarden Euro. „Vielleicht nur ein Fun Fact“, kommentiert Ellinghorst, viel mehr sei ja auch der gesamte Volkswagen-Konzern nicht wert.
Oliver Blume, ein 1,90 Meter großer Schlaks im eng geschnittenen Anzug, hätte also allen Grund, sich wie einst Wiedeking als der Allergrößte aufzuführen. Tut er aber nicht. Der Mann tritt derart sachlich auf, dass man sich fragt, wie der wohl seinen 911 fährt.
Blume hört zu, lässt Einwände gelten und räumt sie dann argumentativ beiseite. Selbst wenn er Kritik übt, bleibt er höflich. Und stets ein wenig auf Distanz. Benzin im Blut? Eher Vernunft in den Venen. Sparsam, aber auch zupackend wie Wiedeking, analytisch und geschult im Umgang mit dem Konzern wie Matthias Müller – Blume vereint Eigenschaften von Vor- und Vorvorvorgänger auf sich. Er weiß genau, wann und mit wem er Bündnisse eingehen muss.
Zum Beispiel mit Uwe Hück. Porsches Betriebsratschef ist kein einfacher Kerl. „Ich bin hier die Konstante“, sagt Hück. Er ist seit 15 Jahren im Amt, sieht sich als Wahrer von Porsches Unabhängigkeit. In seinem Zimmer hängt das gleiche Bild der Patriarchen Ferry und Ferdinand Porsche, das auch bei Oliver Blume und — im Original – bei Wolfgang Porsche hängt.
Der Betriebsratschef hat schon so manchen plattgemacht in Zuffenhausen. Zuletzt verhinderte er die Berufung von Audi-Mann Thomas Faustmann zum Produktionsvorstand und die Rückkehr des zunächst beurlaubten, dann aber in den Dieselgate-Ermittlungen nicht belasteten Chefentwicklers Wolfgang Hatz . Der eine hatte sich schon vor dem Okay des Aufsichtsrats als Vorstand vorgestellt, der andere war ein paarmal zu häufig mit Hück aneinandergeraten.
Blume half keinem von beiden. Er belässt Hück auch das hohe Gehalt; in guten Jahren sollen es schon mal 450 000 Euro sein. Der Porsche-CEO muss Tempo machen, vor allem beim Mission E. Und dazu braucht er Hück. Also schlossen die beiden einen Deal der besonderen Art. Hück bekam seinen Wunsch erfüllt, den neuen Elektro-Porsche in Zuffenhausen zu bauen, das Stammwerk musste dazu massiv erweitert werden. Im Gegenzug half er, wie von Blume gefordert, die Kosten um rund 200 Millionen Euro zu senken.
Das gelang, weil die nach Tarif bezahlten Mitarbeiter und ebenso das Management bis 2025 auf einen Teil ihrer Lohnerhöhungen verzichten. Wie CEO Blume ist auch der Arbeitnehmerboss ein Praktiker, kein Ideologe.
Die Details der Einigung zeigen indes, wer die stärkere Position innehatte: Die Tarifbeschäftigten bekommen diesen „Zukunftsbeitrag“ zurück, sofern der Mission E ein Erfolg wird. Nur wenn der Vorstand das Auto zum Misserfolg erklärt und der Aufsichtsrat dies absegnet, ist die Vorleistung futsch.
Ein Topmanagement, das sein Kernprojekt für gescheitert erklärt? Ist so wahrscheinlich wie ein Porsche-Wohnmobil. Blume stimmte dem Pakt trotzdem zu, weil er es eilig hat. Die ersten Jahre der neuen E-Ära werden hakelig genug. „Höhere Aufwendungen für Entwicklungsleistungen, teilweise Doppelangebote, die Übergangsphase wird eine echte Herausforderung“, sagt Blume. „Das wird ein Kraftakt“, zitieren ihn Kollegen, „die nächsten zehn Jahre lang“. Und so forderte er Anfang Juni von seinen rund 650 im Porsche-Museum versammelten Führungskräften, sich fortan zu verhalten, als seien sie „in der Krise“.
Es sind in der Tat neue Zeiten, die bei Porsche anbrechen; nicht allein wegen des Umschaltens auf Elektro. Porsche ist rasant gewachsen in den vergangenen acht Jahren. Die Zahl der Mitarbeiter ist seit 2009 von 12 800 auf 27 600 gestiegen, die Entwicklungsausgaben explodierten von 750 Millionen Euro auf 2,2 Milliarden Euro. Vorstände wie Hatz brachten den Wolfsburger Gigantismus mit nach Stuttgart, sparen war für sie ein Fremdwort. Allein die Sonderwünsche der in Wolfsburg damals noch amtierenden Konzernherren Winterkorn und Piéch hätten den Macan um rund eine halbe Milliarde Euro verteuert, heißt es bei Porsche.
Lasten, die nachwirken. Modelle wie der Macan, der 2016 neu auf den Markt gebrachte Panamera und der für dieses Jahr angekündigte Cayenne sind allesamt teurer geworden als geplant. Für den Macan hatten Winterkorn und Piéch eine ganz besonders ausgefallene Idee: Die Haube könne man doch um die Kotflügel laufen lassen, das sehe dann mehr nach Porsche aus als nach Audi Q5, auf dessen Basis das Stuttgarter SUV gefertigt wird.
Hört sich nach einem Detail an, ist aber ein Rieseneingriff. Porsche brauchte für das veränderte Design unter anderem völlig neue Werkzeuge. Blume, damals gerade zum Produktionsvorstand ernannt, musste die Befehle aus Wolfsburg umsetzen. Heute sagt er diplomatisch, er habe „viel dabei gelernt“.
Die gute Nachricht: Bei Porsche lässt sich leicht Geld sparen, wenn solche Extratouren unterbleiben. So wie damals unter Wiedeking. Der selbstbewusste König von Zuffenhausen hatte dem Autobauer in den 17 Jahren seiner Amtszeit konsequente Sparsamkeit verordnet. Wiedeking hasste Verschwendung. Unter seiner Ägide stieg die Produktivität rasant, die Fixkosten sanken in bis dahin ungeahntem Ausmaß. Die Rendite reichte schon damals in guten Jahren an die 20-Prozent-Marke heran.
Ein Teil dieses Erbes hat die Phase des schnellen Wachstums überdauert. Der beste Beleg dafür ist das Langstreckenrennen von Le Mans, bei dem mehr Geld als Benzin verbrannt wird. Der Volkswagen-Konzern ließ 2014 und 2015 Porsche gegen Audi antreten. Porsche gewann im zweiten Anlauf- obwohl die Kosten um 30 Prozent unter denen in Ingolstadt lagen.
Wiedeking setzte Baureihenleiter ein, die für die Profitabilität verantwortlich waren und die bisweilen übereifrigen Entwickler in die Schranken wiesen. Diese Errungenschaft wurde gerade erst von Audi und VW übernommen. Viel konsequenter als bei Volkswagen üblich, nutzte Wiedeking Gleichteile, lagerte möglichst viele Arbeiten aus und blieb damit extrem flexibel.
So wenig Konzernstrukturen wie nötig, so viele gemeinsame Entwicklungsprojekte wie möglich – auch da ticken Wiedeking und Blume ähnlich. Der Langzeitchef profitierte beim Cayenne davon, dass er den Porsche auf die Plattform des VW Touareg setzen konnte. Blume hat sich nun mit Audi-Chef Rupert Stadler verbündet, um gleich zwei Architekturen gemeinsam zu entwickeln: die Elektroplattform PPE sowie, für die großen Modelle, die Premium-Architektur der Zukunft (PAZ). Fast schon eine kleine Revolution in dem auf internen Wettbewerb gepolten VW-Konzern.
Bei den E-Autos hatte sich Porsche zuvor noch gegen die Schwestermarken durchgesetzt. Patriarch Ferdinand Piéch hielt den Mission E für deutlich gelungener als Audis für 2018 angekündigtes Elektro-SUV e-tron. In der alten Volkswagen-Welt hätte Blume die Führung beanspruchen können, ja müssen.
Aber der Porsche-Chef triumphiert nicht, er kooperiert lieber. Anders als sein Vorgänger Müller, der mit Stadler diverse Kämpfe ausgefochten hat („offensichtlich war ich an der Stelle auch nicht immer der Richtige“), arbeiten die Entwickler beider Marken nun gleichberechtigt zusammen. Konzernchef Müller war anfangs skeptisch, stimmte jedoch schließlich zu.
Um die Eitelkeiten unter Kontrolle zu halten, führen Blume und Stadler die Teams persönlich an. Ein Produktstratege und ein Finanzer an der Spitze einer Entwicklungskooperative; auch das ist neu bei Volkswagen.
Blume lebt von der Zusammenarbeit. Er verlangt seinen Ingenieuren eine Modellrendite von 15 Prozent ab, auch bei Elektroautos. Anfangs wird die kaum realistisch sein; doch ohne die Größenvorteile des Konzerns wären solche Erträge wohl gänzlich illusorisch. Porsche funktioniert, trotz seiner ganzen Exklusivität, nur als Teil eines volumen- und entwicklungsstarken Konzerns. Nach der Methode: Neue Technologien günstig einkaufen und, als Luxusprodukt verpackt, teuer verkaufen.
Im Automobilbau ist dieses Konzept ziemlich einzigartig. Ferrari etwa profitiert weitaus weniger vom eher entwicklungsschwachen Fiat-Chrysler-Konzern. Die Luxusmarken von Nissan oder Toyota – wie heißen die noch mal? – reichen nicht annähernd an Porsches Renommee heran.
Zur Perfektion getrieben haben dieses Modell der Markenführung Luxuskonglomerate wie Richemont und LVMH. Das ist auch dem Ingenieur Blume (Anzugmarke: Tiger of Sweden) nicht entgangen. Unlängst traf er sich mit Hugo-Boss-Chef Mark Langer und dem markenbewussten Adidas-CEO Kasper Rorsted, um zu lernen. Ein Topmanager der französischen Luxusmarke Herms durfte neulich referieren, wie man aus wenig Stoff sehr viel Geld macht.
Wobei Porsche da selbst durchaus stilbildend ist. Bestes Beispiel: der 911R, der 2016 in einer Kleinserie von 991 Stück angeboten wurde. Der Wagen hat eigentlich gar nichts: kein Infotainment, keine Klimaanlage, keine Automatik; dafür sind die Sitze pepitagemustert wie im Ur-911R. Von dem angeblich leichtesten Porsche aller Zeiten wurden Ende der 60er Jahre nur 19 Exemplare gebaut. Die archaische Neuauflage wurde für satte 190 000 Euro Grundpreis herausgebracht – und war sofort weg. Das brachte Blume eine Menge Ärger ein. Als bekannt wurde, dass die Vorstände je ein Exemplar erwerben durften und zehn Sonderkaufrechte an die Mitarbeiter verlost wurden, während selbst Topkunden leer ausgingen, fand sich der CEO inmitten eines Shitstorms wieder. Er wurde beschimpft, ja sogar beleidigt.
Die Nachfrage ist nach wie vor so groß, dass der Wert des 911R sich mehr als verdoppelt hat. Auf Autohandelsplattformen werden derzeit gut zwei Dutzend 911R angeboten, die meisten mit Kilometerständen unter 1000. Durchschnittspreis: knapp 500 000 Euro.
Die Hausse war so erwartbar, dass die Großaktionäre des Porsche- und Piech-Clans vor einem Bezugsrecht für den Retro-Porsche gewarnt wurden. Wegen der zu erwartenden Wertsteigerung gleiche das einer Sonderausschüttung und müsse entsprechend versteuert werden.
Es gibt in Wolfsburg etliche Topmanager, die Porsche für einen Selbstfahrer halten. Solange die Zinsen niedrig seien und die globale Nachfrage nach Luxusgütern aller Art hoch, laufe die Marke fast autonom.
Doch ganz so einfach ist das Geschäft nun auch nicht. Der eher schwach motorisierte Vierzylinder-Boxster etwa verkauft sich schlechter als geplant, und der zuletzt zu häufig gebaute Rennporsche GT3 verliert als Gebrauchtwagen untypisch schnell an Wert.
Deshalb bremste Blume scharf, als in Wolfsburg Begehrlichkeiten laut wurden, er solle seine Palette um einen kleinen Cityflitzer und ein kleines SUV erweitern. Masse bringt ihm weder Macht noch Marge.
Porsche soll einzigartig bleiben auch beim Mission E. Dafür stehen 600 PS und 500 Kilometer Reichweite, als interner Maßstab dienen die Topvarianten des Viersitzers Panamera.
Die Entwickler setzen dazu bis lang als Einzige in der Branche auf ein 800-Volt-Bordnetz, zudem soll das Gefährt beschleunigt tanken. Porsche forderte deshalb Schnellstladesäulen mit einer Leistung von 350 Kilowatt; üblich sind heute in den Innenstädten 20 bis 50 Kilowatt, selbst Teslas Netz kommt mit 120 Kilowatt aus.
Audi-Chef Stadler wollte den Bau der Ladesäulen eigentlich an Externe vergeben, 150-KilowattSäulen hätten ihm gereicht. Doch in dieser Sache boxte sich Blume — mal ganz unkooperativ – durch. Es gibt nun ein Joint Venture der deutschen Hersteller; gemeinsam mit Ford wollen Audi, BMW, Porsche und Daimler Europa mit Speed-Stromtankstellen versorgen. Der Kleinste der Partner nutzt die Power und die vollen Kassen der Großen.
Die von Porsche favorisierten eigenen Säulen werden aber wohl erst mal hintangestellt. Das Risiko, zu scheitern, war zu groß, die Entwick1er kamen nicht schnell genug voran. Das Konsortium kauft die Infrastruktur nun zunächst extern ein, um rechtzeitig fertig zu werden.
Spätestens 2019 braucht Blume ein ausreichend dichtes Netz an Ladesäulen. Der Mission E, sein Meisterstück, soll schließlich fahren, nicht rumstehen.
Im Konzern jedenfalls trauen sie dem Mann, der dem Porsche-Vorstand seit gerade mal viereinhalb Jahren angehört, noch so einiges zu. Blume wird längst für höhere Ämter gehandelt. Mal heißt es, er sei für die Audi-Spitze vorgesehen, mal gilt er als Kandidat für die Nachfolge von Matthias Müller in Wolfsburg.
Der Vertrag des Konzernchefs läuft bis 2020, früher wird Blume ohnehin nicht wechseln können. „Keine Rochaden mehr in den nächsten zwei bis drei Jahren“, stellt Betriebsrat Hück klar. Und auch Wolfgang Porsche will nach Müllers Wechsel an die Konzernspitze nicht gleich wieder den nächsten Chef des Sportwagenbauers ziehen lassen.
Blume soll bei Porsche erst mal seinen Fußabdruck hinterlassen, am besten ähnlich groß und tiefwie jener von Wiedeking. Die beiden schätzen sich. Vor ein paar Monaten traf sich Blume mit dem Beinahe-Bankrotteur und bei Volkswagen lange Geächteten zum gemeinsamen Abendessen im Porsche-Steakhaus „Christophorus“. Den Kontakt hergestellt hatte Konzernkonstante Hück. Wiedeking war danach voll des Lobes über den Neuen.
Zumal Blume ihm noch in einer anderen, zentralen Sache nacheifert. Wiedeking wollte in Porsche-Autos „niemals Dieselmotoren einsetzen“. Und Blume muss sie nun abschaffen.