Brüssel. Die Sprache – ein für uns Menschen selbstverständliches Werkzeug, um miteinander kommunizieren zu können. Von den ersten Lauten bis hin zu komplexen Sätzen können im Kindesalter schon einige Jahre vergehen. Mit ihren Regeln und Prinzipien, ihren Termen und ihrer Grammatik bildet sie ein komplexes Kommunikationssystem, welches uns ermöglicht, uns zu artikulieren und unseren Gefühlen und Gedanken Ausdruck zu verleihen sowie unser Wissen weiterzugeben. Heute gibt es rund 5.000 Sprachen auf der Welt, wobei Dialekte aus der Berechnung ausgeschlossen werden. Da stellt sich die Frage, wie diese Sprachen entstanden sind. Wie haben die Menschen so viele verschiedene Sprachen entwickelt? Wieso sprechen sie alle nicht die gleiche Sprache? Wie entstanden die Unterschiede und welche ist die älteste Sprache der Welt? Anhand einiger Wörter kann man Gleichnisse erkennen, Wörter, die dieselbe Bedeutung haben und ähnlich oder sogar manchmal gleich klingen. Ein Beispiel dafür ist das deutsche Wort „murmeln“, welches auf Englisch „to murmur“, „murmurer“ auf Französisch und „murmurar“ auf Spanisch heißt. Ein weiteres, womöglich bekanntestes, Beispiel sind die Wörter „Mama“ und „Papa“. Während sich einige Wissenschaftler diese Gemeinsamkeit aller Sprachen mit der Sprachentwicklung des Babys erklären, da die Konsonanten „M“ und „P“ zusammen mit dem Vokal „A“ die ersten Laute sind, die ein Baby von sich gibt, sehen andere Sprachforscher darin ein Schlüsselargument für eine Ursprache, die sogenannte „Proto-Sapiens“. Die Wissenschaft streitet sich bis heute über die Entstehung der ersten Sprache. Denn schließlich liegt dieser einige zehntausend Jahre zurück. Generell besteht die Annahme, dass vor rund 50.000 Jahren die erste Ursprache Proto-Sapiens entstand und sich aus ihr alle weiteren und uns heute bekannten Sprachen entwickelten.
Nur wie? Pfui-Pfui oder Wau-Wau? Oder vielleicht doch Hauruck? Gemeint sind damit die aufgestellten Theorien über die Entstehung der heute so komplexen Sprache.
Die Pfui-Pfui-Theorie oder auch Interjektionstheorie besagt, dass die Sprache durch emotional geladene oder instinktive Ausrufe wie „Iih!“ oder „Ah!“ entwickelt wurde. Die Wau-Wau-Theorie hingegen sagt aus, dass die lautmalerische Nachahmung von Tierlauten zur Entstehung der Sprache beigetragen haben. Ganz anders die Hauruck-Theorie, deren Anhänger behaupten, die Sprache hätte sich durch Zurufen rhythmischer Laute bei der gemeinsamen Arbeit entwickelt. Also sollen Laute wie „Iih!“, „Wau-Wau“ oder „Hauruck“ zu lyrischen Meisterwerken wie Goethes „Faust“ und „Die Leiden des jungen Werthers“ oder Schillers „Wilhelm Tell“ und „Kabale und Liebe“ geführt haben? Schwer vorzustellen. Doch die Geschichte liefert triftige Indizien. Die neuesten Ergebnisse der Genforschung belegen, dass alle anatomisch modernen Menschen, die erstmals vor rund 200.000 Jahren erschienen, aus einer kleinen Population in Ost-Afrika stammen. Vor ca. 50.000 Jahren dann begannen diese, nach und nach auszuwandern und die gesamte Welt zu besiedeln. Diese Daten stimmen zudem mit denen der letzten großen Eiszeit überein, die die Menschheit beinahe ausgerottet hätte und sie zwang, sich nach wärmeren nahrungsreicheren Orten umzusehen. Doch bevor sie sich auf der Welt verbreiteten, entwickelten sie urplötzlich, so scheint es, komplexere Werkzeuge, betreiben Fischfang und ließen die Kunst entstehen. Das Erstaunliche daran ist, dass es so plötzlich geschah und die Entwicklung mit einem Mal so rasant voranschritt, während die primitiven Werkzeuge über Jahrtausende hinweg stets gleich blieben. Dieses veränderte Verhalten ist nach Meinungen der Wissenschaftler einzig und allein mit der Entwicklung der modernen Sprache zu erklären. Mit der damals gesprochenen Sprache, die, so wird es vermutet, hauptsächlich aus Klick- und Schnalzlauten bestand verteilten sich die Menschen also auf der ganzen Welt – und hier kommt die nächste Entwicklungsstufe: Linguisten und Sprachforscher erklären sich die Entstehung der Sprachvielfalt durch immer neue räumliche Trennung von Populationen. Über viele Stufen hinweg entwickelten sich durch unter anderem sogenannten „Lautgesetzen“, durch die einzelne Wörter leicht umgewandelt werden (Beispiel: „fleug“ à „fliog“ à „flieg“), verschiedene Dialekte oder gar neue Sprachen, die wiederum über Generationen hinweg umgebaut und ebenfalls durch Kontakt mit anderen Sprachen eine Veränderung vollzogen.
Ursprung der deutschen Sprache
Der Ursprung unserer Muttersprache „Deutsch“, so wurde festgestellt, liegt viel weiter zurück, als zuvor angenommen. Der germanischen Sprachgruppe angehörend, wird Deutsch der indogermanischen Sprachfamilie zugeteilt und hat somit ihren Ursprung in der indogermanischen Ursprache. Ab dem 6. Jahrhundert n. Chr. sollen durch Lautverschiebungen das Althochdeutsch, das mittelhochdeutsch und schließlich das Frühneuhochdeutsch und das heutige Neuhochdeutsch, welches seit ca. 1650 existiert, entstanden sein. Die beiden Weltmänner Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller, die durch ihre Wortgewandtheit und der neuhochdeutschen Sprache derart perfektionistisch mächtig, diese auf wundervollste Art und Weise nutzten, um Philosophie, Romantik und Lyrik in solch faszinierendem Maße miteinander zu verbinden, sodass ihre Gedanken, Gefühle und Philosophien für alle Zeit in ihren schriftlichen Werken verewigt wurden und eine Bereicherung für die gesamte Menschheit darstellen.
Neuste wissenschaftliche Errungenschaften lassen uns unser gesamtes Wissen über die Entstehung von Hochkulturen über Bord werfen und zeigen auf, wie diese tatsächlich zustande kamen. Bisher wurde angenommen, dass Monumente oder Tempel wie das kürzlich entdeckte Göbekli Tepe, dessen Entstehung 11.500 Jahre zurückreicht, nur erbaut werden konnten, wenn sie Landwirtschaft betrieben und in größeren Gemeinschaften lebten, wie die Ägypter Jahrtausende später. Die landwirtschaft schafft Vorräte, sodass die Menschen nicht mehr jeden Tag auf’s Neue Essen beschaffen müssen. Sie sind sesshaft geworden und haben genug Zeit und Ressourcen, um religiöse Ideen zu entwickeln, Tempel zu bauen und die Erbauer zu ernähren. Durch Göbekli Tepe zeigt sich, dass die große kulturelle Revolution vor der Landwirtschaft entstand. Dementsprechend sind alle entwicklungstechnische Meilensteine der Menschheit auf die Entstehung der Sprache zurückzuführen.
Doch die Entwicklung der Sprache scheint seit geraumer Zeit rückwärts zu laufen. So komplex die Sprache, man nehme Hochdeutsch zu Zeiten Schillers beispielsweise war, so einfach und mit anderen Sprachen verworrener wird sie. Vermutlich liegt dies auch an der voranschreitenden Globalisierung. Zwar wird seit 100 Jahren ein zunehmend wachsender Wortschatz der Menschen verzeichnet, allerdings wird die gesprochene Sprache durch einfachere Grammatik und vermehrten Anglizismen allmählich vereinfacht und banalisiert. Bei den durchgeführten Studien wurden zudem nicht einmal die modernen Kommunikationsmittel, wie Emails oder Internet-Chats, berücksichtigt. Durch den voranschreitenden Wandel der Gesellschaft und Kommunikation könnte bald die Sprache ganz andere Formen annehmen, wie wir sie bisher kennen.
Durch die Sprache entwickelte sich auch die Schrift, die wiederum weitere Fortschritte ermöglichte und uns schließlich ins moderne Zeitalter mit Computern, Internet, künstliche Intelligenz und extraterrestrische Forschung führte. Von Generation zu Generation verändert sich die Sprache zusehends und wird immer simpler und kurzbündiger. Werden wir irgendwann wieder zu einfachen, jedoch vielsagenden Klicklauten finden oder gar die Sprache aussterben lassen und zu intelligenteren und komplexeren Kommunikationssystemen wie Telepathie übergehen.