Washington. America first – diese Leitlinie verfolgt US-Präsident Donald Trump konsequent in den ersten Monaten seiner Amtszeit. Erst vor wenigen Wochen -hat Trump öffentlich das „Buy American“-Dekret unterzeichnet und damit nach Jahrzehnten der voranschreitenden Globalisierung ganz offiziell einen Paradigmenwechsel in der Handelspolitik der USA eingeleitet. Setzt er diesen Kurs weiter fort, wird dies Auswirkungen auf die gesamte Weltwirtschaft haben, zumal er wiederholt angekündigt hat, die internationalen Handelsbeziehungen der weltgrößten Volkswirtschaft unter die Lupe zu nehmen.
Zweifellos liefert die Wirtschaftspolitik des neuen US-Präsidenten derzeit viel Diskussionsstoff. Denn ökonomisch gesehen dreht er das Rad der Geschichte zurück. Dabei ist Trump zunächst zugute zu halten, dass er Wort gehalten hat: Ein Schwenk in der Handelspolitik der USA war ein zentrales Thema seines Wahlkampfs – und nun scheint er zu liefern. Wohlwissend, dass ihn eine große Zahl der US-Bürger genau deswegen gewählt hat. Mit dem jüngsten Dekret hat er die Umrisse seines Konzepts• klarer erkennbar gemacht: Die US-Regierung behandelt zukünftig heimische Firmen bevorzugt bei der Vergabe staatlicher Aufträge, während auf der anderen Seite die Hürden für Zuwanderer und hochqualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland heraufgesetzt werden. Importe will Trump mit höheren Einfuhrzöllen eindämmen und Steuern für die US-Bürger senken. Auf diese Weise will er den Absatz heimischer Unternehmen auf dem Binnenmarkt stimulieren und Arbeitsplätze im Land halten oder sogar zurückholen. Dafür ist er bereit, schwächere Wachstumsimpulse durch den Außenhandel in Kauf zu nehmen. Das ist insofern bemerkenswert, als dass die US-Wirtschaft stark auf Importe angewiesen ist. Bei einer Schwächung der Ausfuhren droht das ohnehin hohe Handelsbilanzdefizit weiter auszuufern. Doch dieser Gedanke scheint zumindest zum jetzigen Zeitpunkt für Trump zweitrangig.
Die Frage indes ist, wie andere große Player in der Weltwirtschaft auf dieses neue Dogma in der US-Handelspolitik reagieren werden. Dass von den G-7-Staaten allen voran China, Deutschland und Japan, nicht müde werden, die Vorteile des Freihandels zu betonen, wundert nicht. Das Geschäftsmodell aller drei Volkswirtschaften basiert ganz wesentlich auf einem starken Export. Ein weltweiter Auf- und Ausbau von Handelsbeschränkungen würde dem Wachstum in diesen drei Ländern einen empfindlichen Dämpfer verpassen. Dennoch reagieren zumindest deutsche Unternehmen bislang noch gelassen auf eine restriktive US-Handelspolitik. Eine Mitte März vom ifo-Institut veröffentlichte Umfrage unter 2700 Firmen kommt zu dem Ergebnis, dass nur 18 Prozent der Befragten als Folge einen Umsatzrückgang erwarten. Über drei Viertel (76 Prozent) sehen keine Anderung.
Für diese mehrheitliche Einschätzung spricht die ökonomische Ausgangslage. Nicht wenige Experten rechnen damit, dass die US-Regierung früher oder später wird zurückrudern muss, weil die heimischen Unternehmen trotz aller Vorteile nicht ausreichend wettbewerbsfähig sind und zumindest in Schlüsselbranchen auf Zulieferungen und Knowhow aus dem Ausland angewiesen sind.
Doch was ist, wenn Trump auf stur schaltet und seinen Kurs noch weiter verschärft? Die Reaktion anderer, großer Wirtschaftsnationen wird in diesem Fall wahrscheinlich nicht lange auf sich warten lassen – genau genommen hat sie bereits stattgefunden. Denn der Protektionismus, den die US-Regierung unter dem Deckmäntelchen des „America First“ betreibt, ist kein Einzelfall. Tatsächlich haben in den vergangenen Jahren protektionistische Maßnahmen nach Daten des Centre for Economic Policy Research rund um den Globus zugenommen. Parallel dazu hat sich der globale Handel abgeschwächt. Dieses Wechselspiel ist kein Zufall. Es ist die logische Folge fundamentaler ökonomischer Zusammenhänge.
Vor zehn Jahren war der Globalisierungsgedanke äußerst populär und das Versprechen auf eine bessere Zukunft. Millionen von Menschen allein in China und Südostasien haben durch den freien Handel den Weg aus der Armut geschafft. Über Jahrzehnte hinweg sind Grenzen durchlässiger gemacht und Handelsschranken abgebaut worden. Gemessen in Terms of Trade hat der Welthandel dadurch enorm zugenommen und zu Wohlfahrtsgewinnen in vielen Volkswirtschaften geführt. Doch aus Rückenwind ist mittlerweile eher Gegenwind geworden. Einer der Hauptgründe dafür ist die Globalisierung selbst. Die positiven Effekte, die daraus resultieren, sind in vielen Industrieländern an der Mittelschicht nahezu vorbeigegangen. Ein Beispiel dazu: Der Anteil der einkommensstärksten zehn Prozent der US-Haushalte am gesamtwirtschaftlichen Volkseinkommen ist nach Daten der US-Notenbank von 32 Prozent im Jahr 1970 auf 47 Prozent im Jahr 2014 gestiegen. Betrachtet man für den gleichen Zeitraum die oberen 20 Prozent der US-Haushalte, fällt der Anstieg von 43 Prozent auf 51 Prozent im direkten Vergleich sehr viel moderater aus. Dabei sollte nicht die Tatsache aus dem Blick geraten, dass das obere Fünftel der US-Haushalte mittlerweile mehr als die Hälfte des Volkseinkommens auf sich vereinigt.
Durch den Lohnvorteil vieler Emerging Markets ist zudem eine große Zahl von Niedriglohnjobs aus den Industrieländern in die Schwellenländer verlagert worden. Davon sind und waren vor allem gering qualifizierte Arbeitnehmer in den entwickelten Staaten betroffen. Globalisierung führt also offenbar nicht zu einer weltweiten Win-win-Situation. Sie kennt neben Gewinnern eben auch Verlierer – und die sind nicht zufällig genau dort entstanden, wo populistische Strömungen heutzutage besonders ausgeprägt sind. Das manifestiert sich nun in einer Welle des Protektionismus.
Als Konsequenz daraus erleben wir die weltweite Rückkehr eines gezähmten, stärker regulierten Kapitalismus. In einer Reihe von Schlüsselländern ist es dadurch unmöglich geworden, Demokratie, nationale Souveränität und globale Integration weiter in Einklang zu bringen beziehungsweise zu halten – und die bisherige Erfahrung spricht dafür, dass die politischen Entscheidungsträger in diesen Ländern bereit sind, Letzteres zu opfern. Es geht mittlerweile nicht nur darum, protektionistische Maßnahmen zu installieren. Immer deutlicher wird, wie schwer sich Politiker damit tun, sich zu multilateralen Handelsabkommen zu bekennen, die die Idee des globalen Freihandels unterstützen. Der Ausstieg der USA aus der Transpazifischen Partnerschaft TPP ist ein beredtes Beispiel dafür und auch der Brexit kann als Hinweis auf eine stärker nach innen gerichtete Politik genommen werden. Auch das nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA will Trump neu verhandeln, wovon ebenfalls vor allem Mexiko betroffen wäre. In Asien dagegen könnte eine Absage von TPP zu neuen Allianzen führen und das Handelsbündnis Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP), das China zusammen mit anderen Ländern in der Region plant, voranbringen. Die wirtschaftliche und politische Bedeutung der USA in der Region würde dadurch abnehmen, die Position der chinesischen Volksrepublik dagegen gestärkt.
Die Stimmung in Sachen Globalisierung hat sich gedreht. Die Gründe dafür sind grundlegender Natur – mit gravierenden Folgen. Weder das schwache Wirtschaftswachstum noch der politische Richtungsdiskurs werden sich bis auf Weiteres weltweit ändern. Die Schlussfolgerung daraus ist: Das Zurückdrängen der Globalisierung ist zu einem nachhaltigen Trend geworden und nicht etwa ein Intermezzo – und dies wird seine Spuren in der Entwicklung der Weltwirtschaft hinterlassen. Ein genauer Blick zeigt nämlich, dass die Stagnation des Welthandels nicht mit einem schwächeren Wachstum zu erklären ist. Die Handelsintensität, gemessen am Handelsvolumen, das durch einen zusätzlichen Prozentpunkt Wirtschaftswachstum generiert wird, ist nach Daten des Central Planning Bureaus im zeitlichen Nachlauf der Finanzkrise gesunken. Wirtschaftswachstum allein stellt also keine Lösung dar, um den Welthandel in Schwung zu bringen. Denn der Gegenwind für die Globalisierung ist zunehmend eher struktureller als zyklischer Natur und damit zu einer ernsthaften Herausforderung geworden.
Aus Sicht der Anleger kommt diese Herausforderung zur Unzeit. Denn das Umfeld für Risikoanlagen ist dabei, sich einzutrüben. Seit Jahresbeginn sind die Aktienkurse deutlich gestiegen. Darin spiegeln sich Hoffnungen der Anleger auf eine Rückkehr des weltweiten Wachstums auf ein Vor-Krisenniveau wider, die befeuert werden von positiven Stimmungsindikatoren und Konjunkturprognosen. Doch noch zumindest besteht eine starke Diskrepanz zu fundamentalen volkswirtschaftlichen Daten. Eine deutliche Belebung etwa beim Konsum und den Investitionen der USA ist jedoch notwendig, um die hohen Erwartungen der Anleger auf Dauer zu stützen. Dazu kommt, dass die Inflation in den USA seit dem Amtsantritt von Trump in den Fokus gerückt ist. Die Aufregung um eine Reflation wird sich jedoch wieder beruhigen in dem Maße, wie sich die Rohstoffpreise stabilisieren und der Basiseffekt zunehmend ausläuft. Die nachlassende Kreditnachfrage in den vergangenen Monaten ist dagegen ein ernstes Warnzeichen dafür, dass sich das Wachstum entgegen den Prognosen der Wirtschaftsforscher und den Erwartungen der Anleger weltweit abschwächen könnte. Dazu kommt, dass die großen Notenbanken die Zügel ihrer bislang ultralockeren Geldpolitik zunehmend straffen.
Fraglich ist also, ob unter diesen Voraussetzungen der jüngste Kursaufschwung auf solidem Fundament steht. Zumindest sind die Aussichten für Risikoanlagen – auch durch steigende politische Unsicherheiten – alles andere als durchweg positiv. Der voranschreitende Protektionismus und ein Zurückdrängen der Globalisierung tun ihr Übriges dazu. Profitieren werden davon eher noch Unternehmen mit einer starken Binnenmarktorientierung. Deren Titel sollten Investoren in ihrem Aktienportfolio relativ höher gewichten als bisher. Vor allem das Small-Cap-Segment sollte dabei im Fokus stehen, da es unter den Nebenwerten viele Unternehmen gibt, die einen Großteil ihrer Umsätze im Inland machen. Zusätzlich bieten viele Small Caps eine Liquiditätsprämie, von der Investoren profitieren können, wenn sie im Gegenzug bereit sind, eine höhere Volatilität als im Large-Cap-Segment in Kauf zu nehmen.
Allerdings ist der Nebenwerte-Kosmos wenig transparent. Es ist daher ein naheliegender Gedanke, für ein Investment auf eine gemanagte Anlageform zurückzugreifen, dessen Manager sich auf dieses Segment spezialisiert hat. Einen Punkt sollten Investoren jedoch nicht vergessen: Auf Dauer ist es riskant, auf den Trend zum Protektionismus zu setzen. Denn im Ergebnis ist diese Entwicklung kein Nullsummenspiel, insbesondere wenn sich der Trend langfristig noch verschärfen sollte. Ein geringeres globales Wachstum wird viele zu Verlierern machen. Risikoanlagen werden das mit großer Wahrscheinlichkeit auf längere Sicht zu spüren bekommen.