Ohio. Mit einer Dose Cola in der Hand schlenderte Jeffrey „Jeff“ Immelt in den Besprechungsraum, als ob er gerade auf dem Weg zu einem Baseballspiel wäre. Scherzte, lachte, stellte erst einmal selbst kluge Fragen. „Was für ein cooler Typ“, dachte ich, als ich dem neuen Chef von General Electric (GE) vor fast anderthalb Jahrzehnten zum ersten Mal begegnete. Kein neuer CEO wurde damals in aller Welt so skeptisch beäugt wie Immelt.
Das lag weniger an dem 1,93-Meter-Mann selbst als an seinem legendären Vorgänger: John „Jack“ Welch hatte den amerikanischen Konzern 20 Jahre lang geführt. „Neutronen-Jack“ übernahm während seiner Amtszeit 1000 andere Unternehmen, steigerte den Wert des Konzerns um 500 Mrd. Dollar und bescherte seinen Aktionären eine Kapitalverzinsung, die doppelt so hoch lag wie der Durchschnitt der 500 größten amerikanischen Aktiengesellschaften. Alle Welt fragte sich deshalb damals, ob Immelt an diese Erfolge anschließen könnte.
Die Antwort lautet Nein und Ja. Der Kurs der GE-Aktie liegt heute unter der Marke beim Amtsantritt Immelts. Aber ohne den lässigen CEO gäbe es den Konzern heute wahrscheinlich nicht mehr. Nach der Finanzkrise 2008/2009 musste der Mann aus Ohio sein Unternehmen von Grund auf umbauen. GE hatte sich vorher zu einer halben Bank entwickelt und litt deshalb besonders unter den Folgen des Crashs. Unter Immelt hieß die Devise in den letzten Jahren: zurück zu den alten Stärken im Industriegeschäft!
Dabei ist der Konzern auf gutem Wege. Summa summarum war die Entscheidung für Immelt vor 15 Jahren also richtig. Vorallem wenn man sich seine beiden damaligen Mitbewerber um den CEO-Posten noch mal anschaut: James Mc Nerney machte später bei Boeing zwar keinen schlechten Job, entwickelte aber nicht die unternehmerische Statur Immelts. Und der zweite Mitbewerber, Robert Nardelli, versagte später sogar völlig. Der TV-Wirtschaftssender CNBC bezeichnete Nardelli als einen „der schlechtesten CEOs aller Zeiten“.
Jack Welch hatte die drei Kandidaten über mehrere Jahre getestet. Und unter Immelt läuft es heute genauso. Zwar ist noch nicht klar, wann der GE-Chef seinen Posten abgibt. Aber das Rennen um den neuen Mr Perfect hat bereits begonnen, wie das „Wall Street Journal“ vor Kurzem schrieb. Wie vor anderthalb Jahrzehnten liefern sich auch jetzt die Leiter mehrerer großer GE-Geschäftsbereiche einen Wettkampf um den Spitzenposten. Alle arbeiten bereits seit vielen Jahren im Konzern. Eine externe Besetzung gilt als nahezu ausgeschlossen.
Ganz anders als beim großen deutschen Konkurrenten Siemens, der seit Jahren als wichtigster Herausforderer von GE gilt. Dort hat Vorstandschef Joe Kaeser so gut wie alle ernsthaften Konkurrenten aus dem Weg geräumt – zuletzt den überaus fähigen Forschungs- und Technik-Chef Siegfried Russwurm.
Kaeser duldet im Gegensatz zu Immelt keine starken Leute neben sich. Sein Nachfolger kann nach Lage der Dinge also wohl nur von außen kommen — und wird es deshalb sehr viel schwerer haben als ein neuer Chef bei GE. Wiedervorlage spätestens in zehn Jahren.