Bonn. Es gilt als hip und voll im Trend, auf gesundes Essen zu achten und sich zu kasteien. Veganes Essen, nur noch Obst und Gemüse, überhaupt keine tierischen Produkte und Rohkost. Es hat ein gefährlicher Abnehm-Trend begonnen, der bei vielen unbewußt zu einem Wahn wird. Sport machen, gesund leben und abnehmen. Auf Teufel komm raus. Vorgemacht durch viele Popstars und Personen des öffentlichen Lebens versuchen immer mehr Menschen im Land, vor allem Frauen, diesen Trends zu folgen und auf diese Weise eine Idealfigur und ein besseres Lebens- und Wohlfühlempfinden zu erreichen. Ohne zu wissen, dass sie einen Weg eingeschlagen haben, der oft in einer Essstörung endet: Orthorexia nervosa in der Fachsprache genannt. Davon ist die Rede, wenn der Ess-Stil in Besessenheit mündet, wenn das gewöhnliche Ernährungsverhalten dahingehend verändert wird, dass durch Falschernährung der Körper ausgezerrt wird. Einst in den 90er Jahren von dem Amerikaner Steven Bratman propagiert, wollte dieser einen neuen Esstrend publik machen, der auf bessere und gesündere Ernährung abzielt, aber in falscher Wahrnehmung als Ess-Störung endete. Dazu kommt heutzutage noch exzessives Sporttreiben, was dem Körper letzte Kraftreserven raubt und in eine gesundheitliche Sackgasse führt – Anorexia athletica.
Enthaltsamkeit ist „in“, darf aber nicht zum Wahn hochstilisiert werden, sonst droht der Gang zum Psychotherapeuten, der den gesunden Umgang mit Nahrungsmitteln dem Patienten erst wieder beibringen muss. Denn Essen ist ein elementarer, lebenswichtiger Vorgang, den man nicht ohne Anleitung und Beratung eigenmächtig langfristig umstellen sollte. Es drohen lebensbedrohliche Mangelerscheinungen in Verbindung mit zwanghaften Angewohnheiten, die nur der Arzt oder Psychologe eines Tages beheben kann. Und soweit soll es eigentlich nicht kommen. Das wissen alle, die sich mit dieser Problematik intensiv beschäftigen, und bereits heute warnend den Zeigefinger heben. In Deutschland sind etwa 3% der Bevölkerung von einem Ernährungsstil betroffen, bei dem man von Besessenheit spricht. Die Zahl der Ernährungstrends nimmt zu und immer mehr Menschen setzen sich bewusst mit dem Thema Nahrungsmittel auseinander. Das ist zwar an sich positiv, kann aber eben auch häufiger in eine Essstörung umkippen. Das Krankheitsbild ist zwar von der Fachwelt noch nicht anerkannt, wird aber intensiv erforscht. Denn die Zahl der Erkrankungen steigt langsam, aber stetig. Denn der oft falsch verstandene Gesundheitsnutzen, der aus der Ernährungsumstellung resultieren soll, ist oft nicht gegeben.
Dazu kommt die krankhafte Sorge, etwas Falsches zu essen. Gesellen sich zu dieser Sorge noch Schuldgefühle, weil sich die selbst auferlegten „Essgesetze“ nicht einhalten lassen, ist die Grenze zwischen bewusster Ernährung und Essstörung überschritten. Aktuell heißt es in Deutschland, das jeder 2. abnehmen will. Man fühlt sich zu dick, orientiert sich an veganer Lebensweise, spottet über den Fleischkonsum und fühlt sich anderen, die dicker sind, sogar überlegen. Dies ist ein gefährlicher Trend. Zur Freude der Industrie, die am neuen Gesundheitsbewusstsein kräftig mitverdient. Dabei sagen viele Experten: Diät macht dick. Und genau in diesen Konflikt zwischen dem Abnehmen-Wollen und nicht abnehmen können geraten viele, die dann in ihrer Verzweiflung in eine fundamentale Ess-Störung hineingeraten. Zu allem Überfluss greifen viele, die sich zu dick finden oder ihre Ernährung umstellen wollen, zu Abnehm- oder Diätpillen. Oft über das Internet bestellt, kauft man sich dort oft Produkte, deren Inhaltsstoffe alles andere als gesund sind. Und so mündet der Abnehm-Wahn und das neue Essverhalten in einen Kreislauf, der den meisten mehr Schaden als Nutzen bringt. Natürlich sollte jeder auf seine Ernährung achten, denn die Bevölkerungsmehrheit ist tatsächlich zu dick. Das hat aber damit zu tun, dass wir maßlos essen und nicht von Süßwaren und kalten Fetten die Finger lassen können, außerdem uns zu wenig bewegen. Diese Dinge bewusst zu berücksichtigen und ein bisschen Verzicht zu üben reicht aus, um eine positive Wirkung zu erzielen. Da braucht es keine neuen Ernährungstrends und Verhaltensregeln beim Essen. Das kleine Wort Disziplin erzielt hier eine große Wirkung. Probieren Sie es aus!