Palo Alto. Ein Rennwagen! Super zu fahren, echter Spaß.“ Karl-Thomas Neumann (55), heute Opel-Chef, damals noch CEO des Autozulieferers Continental, erzählt an diesem Abend im Februar 2009 in kleiner Runde von einem völlig neuen Auto. Er hat den Tesla Roadster getestet. Ein Elektroauto, in 3,7 Sekunden von null auf hundert, mit über 300 Kilometern Batteriereichweite. So etwas hat es bis dahin nicht gegeben.
Ob mit Tesla zu rechnen sei, wird Neumann gefragt. Er winkt ab: Nein, nicht bei dem Antrieb. Mit den „Tausenden Laptopbatterien“, die da zusammengeschaltet würden, habe der Neuling keine Chance. Gut sieben Jahre später ist die Welt eine andere. Bei Daimler haben sie Tesla als „die Benchmark“ ausgemacht bei ihrem Ziel, 2020 die besten Elektroautos der Welt zu bauen. „Alle anderen Hersteller spielen erst einmal keine Rolle“, sagt ein Daimler-Vorstand.
Tesla, lange unterschätzt, hat die Glaubenssätze einer 130 Jahre alten Industrie gesprengt. Immer wieder hat Tesla-Gründer Elon Musk (45) scheinbar Unmögliches versprochen – und eingelöst.
Er hat das Auto zum Softwareprodukt gemacht und hält es — wie ein Smartphone — über Updates stets auf dem neuesten Stand.
Er hat ein Ladenetz für seine Tesla-Flotte errichtet, als die anderen Hersteller noch lästerten, das werde sich nie auszahlen. Jetzt ziehen sie notgedrungen nach.
Und er hat gemeinsam mit Panasonic die weltgrößte Batteriefabrik gebaut. Ihre Akkus dürften der Konkurrenz, was Energiedichte und Kosten betrifft, noch ein paar Jahre überlegen bleiben.
Vor allem aber hat er bewiesen, dass die Käufer bereit sind für Elektroautos. Für sein Model 3 haben lange vor der ersten Auslieferung fast 400 000 Kunden 1000
Dollar oder Euro angezahlt. Das Auto ist ein Frontalangriff auf BMWs 3er, die Mercedes C-Klasse und den Audi A4.
Bei allem, was er tut, geht Elon Musk Risiken ein, die Tesla bisweilen wie eine Multi-Milliarden-Dollar-Wette erscheinen lassen. Bislang ist sie aufgegangen. Die Kunden kaufen — auch wenn Manager traditioneller Autobauer viel Kritikwürdiges finden.
Das Model 3 habe ihn enttäuscht, erzählt der Topmann eines deutschen Konzerns nach einer Testrunde. Der Innenraum? „Lieblos gemacht!“ Die Teile? „Schlecht verarbeitet. Verglichen mit Audi oder BMW ein Unterschied wie zwischen Ikea und Hülsta!“ Die Fahrt? „Das rappelt und klappert. Da fehlt die Perfektion.“
Der Mann ist kein Ewiggestriger, im Gegenteil. Apple-Chef Tim Cook (56) wollte ihn für sein Autoprojekt abwerben. Er bekam ihn nicht.
Die alte Welt ist dem deutschen Manager näher als das Silicon Valley. Er erwartet von einem Premiumauto größtmögliche Reichweite und die Kompetenzen eines rollenden Smartphones. Aber er verlangt auch passgenaue Verarbeitung und Materialien, die man gern anfasst.
Die meisten seiner Kollegen denken ähnlich. „Wenn wir etwas auf den Markt bringen, dann funktioniert das — und zwar millionenfach“, sagt BMW-Entwicklungs-Chef Klaus Fröhlich (56). Jeder weiß, auf wen er da anspielt. Ein „rollender Experimentierbaukasten“ sei Teslas Model S, ätzt ein Daimler-Manager, „sobald Tesla auf echte Wettbewerber trifft, wird sich zeigen, wie altmodisch deren Autos sind“.
Die Etablierten glauben und hoffen, dass die Elektrofans ihnen in Scharen zulaufen, wenn sie erst mal richtig in das Geschäft einsteigen. Wenn Audi 2018 seinen Tesla-Jäger bringt, mit der gleichen Reichweite wie das Model S; wenn Daimler seine EQ-Modellreihe ausrollt (in die zehn Milliarden Euro investiert werden sollen); wenn VW mit seiner E-Armada angreift, um Marktführer zu werden, wie Markenchef Herbert Diess (58) unlängst verkündete.
Bei so viel geballter Angriffslust wird mancher Autofürst bereits übermütig und schreibt Tesla im Geiste ab — als lästiges Übergangsphänomen des technologischen Wandels. Argumente finden sich: Tesla verbrennt jährlich Milliarden an Cash, es mangelt den Autos bisweilen noch an Sicherheit und Qualität. Bei Consumer Reports, einer Art amerikanischer Stiftung Warentest, landete Musks Firma vor Kurzem unter 29 Automarken auf Rang 25 („weniger zuverlässig“), weit hinter Toyota (Platz 2), Audi (Rang 4) und BMW (Platz 9).
Doch was zählen diese Maßstäbe künftig noch? Wurde Bertha Benz nicht ähnlich belächelt, als sie im Jahr 1888 mit dem Benz-Motorwagen Nummer 3 eine fünftägige Fahrt von Mannheim nach Pforzheim unternahm? Und wie viel Spott musste Amazon-Gründer Jeff Bezos ertragen, weil er jahrelang Wachstum über Gewinn stellte und ebenfalls Milliarden versenkte?
Elon Musk als kurze Anekdote der Autogeschichte abzuhaken, wäre verfrüht, wenn nicht gar fahrlässig. Spätestens 2020, gerade mal 17 Jahre nach der Gründung von Tesla Motors, wird er zum Massenhersteller aufgestiegen sein, dann will er eine Million Autos im Jahr verkaufen, elektrisch angetrieben und autonom fahrend. Und selbst wenn er bis dahin noch nicht ganz so weit sein sollte: VW dürfte fünfJahre länger brauchen.
Dieser Vorsprung hat viel mit Musks unorthodoxer Denke zu tun. Er tickt anders als die Car Guys, ist ein Digital Hero, der die alte Industrie mit den Mitteln der TechBranche vor sich hertreibt. Der Multimilliardär, reich geworden 2002 mit dem Verkauf des Onlinebezahldienstes Paypal, führt seinen Autokonzern wie ein Start-up. Sein Raumfahrtunternehmen SpaceX managt er nebenbei auch noch.
Schlaksig, fast ein wenig wie John Travolta im Film „Pulp Fiction“, tänzelte er im November in Berlin auf die Bühne und ließ sich von Barbara Schöneberger das von „Auto Bild“ verliehene „Goldene Lenkrad“ für Teslas Flügeltürenkoloss Model X überreichen. Er zog Grimassen für den Fotografen, dann erzählte er seine „Fuck-up-St0hH‘. „Wir waren größenwahnsinnig“, weckte er das träge Publikum, „haben zu viele komplizierte Teile in das Auto gepackt; das war dumm.“ Tesla habe sich die Produktion unnötig schwer gemacht.
Ein kurzer, taktischer Moment der Demut. Was folgte, war der Killer-Musk.