Riad. Um über 50 Prozent ist der Ölpreis 2016 gestiegen, im Zuge dessen ist die Inflation zurückgekehrt. Und für Fantasie ist reichlich Platz: Noch vor drei Jahren kostete ein Barrel über 100 Dollar, knapp doppelt so viel wie heute. Dass der Ölpreis langfristig nur durch die Decke gehen kann, kann jeder erahnen.
Womöglich ist es aber Zeit umzulernen. Denn die Regeln für das schwarze Gold werden neu geschrieben. Der Ölpreis werde mittelfristig moderat bleiben und auf lange Sicht sogar fallen, behaupten westliche Lobbygruppen.
Die alte Ölkrisenlogik ging noch so: Der Verbrauch nimmt ständig zu, aber die Vorräte sind endlich. Also muss der Preis tendenziell steigen, Boom und Bust wechseln sich ab. Teures Öl führt zu Sparbemühungen und Investitionen in neue Quellen, schließlich zu Überangebot und Preisverfall. Ist Öl billig, wird wieder mehr verbraucht und zu wenig investiert.
Derzeit stehen die Zeichen erneut auf Verknappung. Die Weltkonjunktur beschleunigt, die Ölnachfrage zieht an. Zudem hat sich die Opec zusammengerauft. Das Kartell der Förderländer, das schon als tot galt, beschloss erstmals seit 2008 eine vorsichtige Produktionskürzung. Wirklich spürbar ist die nicht, denn Opec-Mittglied Russland fördert mehr denn je. Hinzu kommt ein struktureller Bruch: Immer neues Öl wird zu niedrigen Kosten verfügbar – und die Nachfrage schwächt sich langfristig ab. Seit die USA ihr Schieferöl erschließen, ist die Opec quasi entmachtet. Amerikas Förderer werden immer effizienter, schon bei den aktuellen 50 bis 60 Dollar je Barrel ist eine höhere Produktion für sie profitabel, wenn auch geringer. (Lesen Sie mehr über USA und Russland)
Zugleich spricht viel dafür, dass der Verbrauch nicht so stark wächst wie früher erwartet. Shell etwa geht heute davon aus, dass die Nachfrage nach Öl den Höhepunkt eher überschreitet als das Angebot. „Peak Demand“ — so das Schlagwort — könne in 5 bis 15 Jahren erreicht sein.
Der Konsum wird durch die Politik gebremst, vor allem aber vom technischen Fortschritt. Die Digitalwirtschaft nutzt Energie effizienter. Und sie verbraucht Strom, der mit Gas, Wind oder Kernkraft erzeugt wird. Kommt die E-Mobilität, wird auch für Autos weniger Öl benötigt.
Geringere Nachfrage, üppiges Angebot – das erzwingt eine neue Strategie der Ölstaaten. Als die Saudis dem letzten Preiscrash tatenlos zusahen, galt das zunächst als Versuch, die US-Konkurrenz mit Dumping vom Markt zu kegeln. Doch das Kalkül geht nicht auf. Wenn langfristig ein Preisverfall droht, müssen die Scheichs Kasse machen: Pumpe so viel wie möglich und lege das Geld woanders an ist die Devise.
Dazu passen Diversifikationspläne des jungen starken Manns in Riad: Vize-Kronprinz Mohammed (31) will 2018 Teile des staatlichen Ölgiganten Aramco an die Börse bringen, den Erlös weltweit reinvestieren. Kürzlich erst sind die Saudis bei Uber eingestiegen.