Jerusalem. Selbst die Vereinten Nationen können die Geschichte des Judentums nicht auslöschen, auch wenn sie es vor ein paar Monaten versucht haben. Die Unesco verabschiedete einen Text, der den jüdischen Charakter des Jerusalemer Tempelberges komplett negiert. Darin wird der Ort lediglich als muslimische Stätte mit dem Namen »Al-Aksa Moschee/ Al-Haram Al-Scharif und Umgebung« bezeichnet.
Der Platz an der Klagemauer, wo täglich Tausende Juden beten, wird »Al-Burak-Platz« genannt. Außerdem tituliert das Papier der Unesco den Staat Israel durchgängig als »Besatzungsmacht« und wirft ihm »Aggressionen« gegen muslimische Heiligtümer in der Jerusalemer Altstadt und anderswo vor.
Für uns Juden ist der Tempelberg eine heilige Stätte, wo Erinnerung, Tradition und Glauben buchstäblich mit der Erde eins geworden sind. Es war König David, der bereits vor 3000 Jahren von Jerusalem aus das Königreich Juda regierte. Mit anderern Worten: Der Tempelberg war, lange bevor das Christentum und der Islam überhaupt entstanden, schon der heiligste Ort des Judentums. Diese geschichtliche Tatsache zu bestreiten ist genauso unsäglich wie das Leugnen des Holocausts. Es ist ein antisemitischer Akt.
Seit 1967, als Israel im Sechs-Tage-Krieg die Kontrolle über die Jerusalemer Altstadt erlangte, hat der jüdische Staat sichergestellt, dass Gläubige aller drei Weltreligionen Zugang zu ihren heiligen Stätten behalten. Das war von 1948 bis 1967, als Jerusalem unter jordanischer Herrschaft stand, nicht so. Damals war den Juden der Zugang zur Klagemauer verwehrt.
Die Unesco-Resolution ist ein vorsätzlicher Affront nicht nur gegen das jüdische Volk, sondern gegen all jene, die nicht bereit sind, geschichtliche Fakten ihren fragwürdigen politischen Manövern unterzuordnen. Eigentlich soll die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur das Welterbe schützen. Jetzt haben 24 der 58 Mitgliedstaaten im Unesco-Exekutivrat (darunter Brasilien, China und Russland) für diesen unsäglichen Text gestimmt.
Nur sechs Länder waren dagegen, unter ihnen Deutschland, Großbritannien und die Vereinigten Staaten. Die anderen, wie zum Beispiel Frankreich, Italien, Schweden und Spanien, enthielten sich der Stimme. Aber geht das? Sich in so einer Frage zu enthalten ist gleichbedeutend mit Schweigen. Statt zu schweigen, hätten diese Länder ihre Stimme erheben sollen gegen einen skandalösen Akt der Geschichtsfälschung.
Für uns Juden sind auch diese Enthaltungen schmerzlich. In unserer Geschichte mussten wir schon zu oft den enormen Preis für solches Schweigen zahlen. Immer wieder erlebten wir, wie die Welt sich achselzuckend abwandte, wenn der Antisemitismus Auftrieb erhielt.
Man stelle sich den weltweiten Aufschrei vor, würde die Grabeskirche in Jerusalem (wo Jesus gekreuzigt und begraben worden sein soll, Anm. d. Red.) als islamische Stätte bezeichnet. Aber wenn es um Israel und die Juden geht, halten viele Länder einfach still und sagen nichts.
Im Jahr 1946 äußerte Winston Churchill die Hoffnung, die Vereinten Nationen würden »ein wahrer Tempel des Friedens« werden. Wenn die Vereinten Nationen ihrem Anspruch genügen und wirklich zu einem Tempel des Leidens werden wollen, dann müssen sie sofort aufhören den Bezug zum Tempelberg in Jerusalem zu leugnen.
Die Worte von Unesco-Generaldirektorin Irina Bokowa und von dem scheidenden UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, die nach der Resolution Kritik an ihr übten, sind willkommen. Aber andere Staatsmänner müssen ebenso deutlich Stellung beziehen. Daran darf kein Zweifel bestehen: Dieser Entscheid der Unesco muss aufgehoben werden. Es geht um die Glaubwürdigkeit der internationalen Gemeinschaft.