Berlin. Speziell bei Polizei und Justiz scheint es schwerwiegende Versäumnisse zu geben, was den Datenaustausch untereinander angeht. So können Straftäter beinahe ungehindert innerhalb der EU umherwandern und sich der Festnahme, Auslieferung oder Strafverfolgung immer wieder entziehen. Wohin das führt, zeigt derzeit der Skandal um einen Asyl-Antragsteller, der in Freiburg eine Studentin ermordet hat, obwohl er eigentlich in Griechenland wegen einer Straftat im Gefängnis einsitzen müßte. Dort war er wegen eines versuchten Totschlagdeliktes zu 10 Jahren Haft verurteilt worden, konnte aber schlampige Behördenarbeit nutzen, um nach einer Lockerung der Haftbedingungen zu fliehen. Und was macht der damals 17 Jahre alte Mann: er setzt sich nach Deutschland ab und bittet um Asyl. Da die Griechen ihn nicht international zur Fahndung ausgeschrieben hatten, wusste niemand in Deutschland, dass hier ein Schwerverbrecher die Mitleidsmasche fährt, um den Strafverfolgungsbehörden zu entkommen. Unglaublich, aber wahr. Immer wieder nach Deutschland führt der Weg der Flüchtlinge, die erfahren haben, dass es Behördenpannen und fehlende Identitätsnachweise den Leuten offenbar leichtmachen, unsere Großzügigkeit auszunutzen und sich ins Land zu mogeln.
Bereits zu Anfang des Jahres wollte eine EU-Kommission den Ausbau vernetzter Datenbanken von Polizei und Justiz vorantreiben. Man wusste also, dass etwas in dieser Hinsicht nicht gut funktionierte, und Straftäter beinahe einlud, die Kommunikationslücken auszunutzen. Einen entsprechenden Vorschlag für den Ausbau des Europäischen Strafregisterinformationssystems (European Criminal Records Information System ECRIS) sowie mehrere begleitende Dokumente hat die Kommissarin für Justiz, Verbraucher und Gleichstellung, Věra Jourová im Januar 2016 in einer Pressemitteilung veröffentlicht. Zur „Verbesserung der Bekämpfung von grenzüberschreitenden Straftaten und Terrorismus“ sollten auch Daten über Nicht-EU-Staatsangehörige gespeichert und übermittelt werden dürfen. So weit so gut. Nur zeigt die Praxis, dass offenbar Wenig funktioniert. Über das ECRIS können für Strafverfahren oder andere behördliche Auskunftszwecke in anderen Mitgliedstaaten vorhandene Informationen über Vorstrafen der Betroffenen abgefragt werden. Bislang dürfen nur Daten über EU-Staatsangehörige angefordert werden. Wird beispielsweise eine Französin in Spanien für eine Straftat verurteilt, erhält die französische Justiz hierüber eine Benachrichtigung.
Sofern die Person erneut im Ausland vor Gericht steht, kann das Urteil aus Spanien in das Strafmaß einfließen. Sämtliche Vorstrafen auch in anderen Ländern werden im „Heimatmitgliedstaat“ gespeichert und bei Bedarf an anfragende Behörden weitergegeben. Auf diese Weise können EU-Angehörige aber auch ein EU-weites polizeiliches Führungszeugnis beantragen und nachweisen, dass sie in keinem anderen Mitgliedstaat verurteilt wurden. Im Fall des mutmaßlichen Mörders von Freiburg kommt jede Verbesserung der internationalen Kommunikation zu spät. Selbst eine europäische Fingerdatenbank „Eurodoc“ genannt, die in Deutschland eingesetzt wird, gab keine Hinweise auf den Verurteilten, da die Griechen die Daten des Mannes nicht in das System eingegeben hatten. Die griechischen Nachbarn sind nicht nur schlampig im Umgang mit Geld, sondern nehmen es auch nicht so genau bei der Strafverfolgung. Wenn es dabei um Menschenleben geht, hört wirklich jede Toleranz auf. Bisher müssen Abfragen der Daten von EU-AusländerInnen in allen 27 übrigen EU-Mitgliedsstaaten einzeln gestellt werden.
2014 habe die Zahl der Anfragen nach Vorstrafen von Drittstaatenangehörigen der Kommission zufolge bei 23.000 gelegen. Dies sei mit bürokratischem Aufwand und geschätzten Kosten von insgesamt 78 Millionen Euro verbunden gewesen. Das meiste Geld werde für die Beantwortung aufgewendet. Kleinere Mitgliedstaaten seien benachteiligt, da diese oft über wenig Angestellte zur Bearbeitung der Anfragen verfügten. Bei vielen Ersuchen handele es sich zudem um unnütze Anfragen. Daran sieht man, dass dringend reformiert werden muss in Europa, sonst kann jeder, der sich etwas cleverer anstellt, den Behörden auf der Nase herumtanzen. Zum Leidwesen Unschuldiger, wie im aktuellen Fall in Deutschland.