Berlin. Herbstzeit ist nicht nur bei den Amerikanern Präsidentenzeit. Wieder einmal steht die Wahl des deutschen Bundespräsident an und Angela Merkel zieht sich mit ihren Vertrauten ins stille Kämmerlein zurück, um über die möglichen Kandidaten zu beraten. Die Gerüchteküche beginnt zu brodeln, der Blätterwald raschelt. Bis zum Februar 2017, wenn die Bundesversammlung letztlich abstimmt, wird noch viel hin und her überlegt werden. Wird es ein männlicher Bewerber, oder doch eine Frau? Die Ex-Oberbürgermeisterin von Frankfurt, Petra Roth, wird als einzige Frau im Bewerberkreis geführt. Aber am höchsten gehandelt wird Frank-Walter Steinmeier, der deutsche Außenminister. Jeder Kandidat muss von anderen empfohlen werden, sodass Sigmar Gabriel bereits seine Stimme für Steinmeier abgegeben hat. Von Seiten der CDU/CSU würde die Kanzlerin am liebsten unseren Finanzminister Schäuble als den Mann sehen, der das höchste Amt im Staate bekleidet. Norbert Lammers, der Bundestagspräsident, der Wunschkandidat aller, hatte ja bereits aus persönlichen Gründen abgesagt.
Die Wahl ist ein Mehrheitsbeschluss
Um in der Bundesversammlung mit ihren 1.260 Mitgliedern als Bundespräsident gewählt zu werden, bedarf es einer absoluten Stimm-Mehrheit. Da heißt es jetzt also für alle Kandidaten, die es mit dem Amt ernst meinen, Stimmen für sich zu gewinnen. Da die einzelnen Parteien alleine aber keine Mehrheit bei der Abstimmung erzielen können, müssen sich die Parteien zusammenschließen und gemeinsam für ihren Kandidaten abstimmen. Die CDU/CSU müsste also für ihren Kandidaten W. Schäuble die Stimmen der FDP und der Grünen gewinnen. Die SPD dagegen müsste für eine Mehrheit von Steinmeier ebenfalls die Grünen auf ihre Seite ziehen und wahrscheinlich die Linken dazu gewinnen. Problem dabei: die Linkspartei unter dem Vorsitz von Bernd Riexinger lehnt eine Wahl Steinmeiers ab. So wird es natürlich schwer für die SPD, ihren Kandidaten durchzusetzen. Denn 631 Stimmen, die die absolute Mehrheit ausmachen, kann die SPD alleine nicht aufbringen. Insgesamt gibt es drei Wahlgänge, so dass man von einer spannenden Entscheidung ausgehen kann.
Mit dem „Ja“ des jetzigen Amtsinhabers Joachim Gauck wäre das ganze Wahlspektakel ausgefallen, doch dessen Absage zu einer erneuten Wiederwahl steht fest.
Das Amt des Bundespräsidenten ist von großer Bedeutung
Die Person, die ein Land international repräsentieren soll, muss absolut gewissenhaft und integer sein, muss Charisma haben und eine allgemein hohe Akzeptanz im Land genießen. Das ist nicht immer leicht, diesen Status zu erreichen, da es im politischen Leben oft Reibungspunkte gibt, die letztendlich an der Person festgemacht werden, nicht an den Umständen, die zu den Problemen geführt haben. Und da ist die Auswahl im Lande klein, die richtige Persönlichkeit zu finden, deren Reputation ohne „Fehl und Tadel“ ist. Den besten Stand im Wahlverfahren haben deshalb sich nur Walter Steinmeier und Wolfgang Schäuble, zwei Charaktere, die sich durch Besonnenheit und Diplomatie ausgezeichnet haben. Ganz entscheidend für das hohe Amt ist die Tatsache, dass der Bundespräsident die letzte Instanz aller Entscheidungen darstellt, er allein kann politische Entscheidungen kippen und auch z.B. bei einem Misstrauensvotum am Ende entscheiden, ob der Abwahl eines Politikers stattgegeben wird.
Rückblick: Es war ein hitziger, für viele unvergesslicher Tag, als am 5. März 1969 der erste Bundespräsident gewählt wurde. Die große Koalition regierte. Es kandidierten Gerhard Schröder (CDU) und Gustav Heinemann (SPD). Der eine war Verteidigungsminister, der andere Justizminister. Der Ausgang dieses Duells in der Bundesversammlung galt als offen. Acht Stunden und drei Wahlgänge dauerte es, bis Bundestagspräsident Kai-Uwe von Hassel (CDU) verkündete: „Für den Kandidaten Dr. Heinemann sind 512 Stimmen abgegeben worden, für den Kandidaten Dr. Schröder 506.“ Heinemann war gewählt, mithilfe der FDP. Erstmals zog ein Sozialdemokrat in die Villa Hammerschmidt ein. Seitdem haben sich viele weitere Politiker die Klinke in die Hand gegeben, Repräsentanten, die Deutschland würdig vertreten haben. Und genau so einen braucht das Land im Februar 2017 erneut. Auch wenn es bei der Wahl zum Staatsoberhaupt auch immer um politische Motive geht.
Meistens nämlich haben die Parteien Kandidaten nominiert, um damit politisch zu punkten. Es ging nie nur ums Land. So war es auch 1969. Von „einem Stück Machtwechsel“ sprach der soeben gewählte Gustav Heinemann. Recht hatte er. Später paukte die Union Roman Herzog (CDU) durch, und die SPD Johannes Rau. Im Jahre 2004 machten Angela Merkel und Guido Westerwelle den blassen Technokraten Horst Köhler ausfindig. Köhler wurde Kandidat von Union und FDP. Warum? Man wollte Wolfgang Schäuble im Schloss Bellevue verhindern – und die rot-grüne Regierung vorführen. So wird es auch dieses Mal wieder ein Kopf an Kopf-Rennen geben, bei dem die Parteien ihre internen Rivalitäten mit einfließen lassen. Hauptsache wir behalten unsere internationale Akzeptanz und Souveränität.