Washington. Wenn eine Weltmacht wie die USA öffentlich Wahlkampf macht und dabei zwei Kandidaten ins Feld führt, die eine verbale Schlammschlacht austragen, deren Niveau weit unter allem steht, was man an mieser Rhetorik und emotionaler Aggression gewohnt ist, dann muss man sich fragen, wie schwer der Ruf einer dominanten Nation mit Führungscharakter und höchsten Ansprüchen beschädigt werden darf, ohne dass jemand eingreift und sagt, dass es an der Zeit ist, sich auf das Wesentliche zu besinnen, nämlich die Gunst der Wähler zu gewinnen und dem Land beste Führungsqualitäten zu demonstrieren.
Hillary Clinton und Donald Trump sind die beiden, die sich seinerzeit zur Wahl des neuen US-Präsidenten gestellt haben mit dem Anspruch, eine gewaltige Nation mit hoher weltweiter Verantwortung, Vorbildfunktion und ethisch-moralischer Glaubwürdigkeit zu repräsentieren, zu führen und weiter zu entwickeln. Was man allerdings jetzt im Wahlkampf und speziell bei den Fernsehdiskussionen erleben kann, verschlägt nicht nur abgebrühten Politfans und Unterstützern die Sprache: die Welt nimmt teil an einer Demontage eines Landes, welches alles an Authentizität, Ansehen und Machtstellung zu verlieren scheint. Wie ist es möglich, dass beide Kontrahenten sich mehr auf persönliche Beleidigungen und Verunglimpfungen konzentrieren als auf ihren zukünftigen Auftrag, der da heißt: Vorbild sein, Verantwortung tragen und im Interesse einer Nation alles zu tun, dass der Friede gewahrt wird und das Volk sich sicher fühlen kann. So allerdings wird es schwer, für beide schwer, den Ansprüchen an die eigene Person und die neue Funktion gerecht zu werden.
Drei Wochen sind es noch bis zur Wahl, der US-Präsidentschaftswahlkampf ist endgültig in seiner entscheidenden Phase angekommen: In der Nacht zum Donnerstag treten Hillary Clinton und Donald Trump um 18.00 Uhr (3.00 Uhr MESZ) zu ihrem dritten und damit letzten Fernseh-Duell in der Universität von Nevada in Las Vegas gegeneinander an. Dort kann jeder der beiden doch noch beweisen, dass mehr in ihnen steckt als man bisher gesehen hat.
Man muss aus dem abstumpfenden Dauerbeschuss mit Lügen und vulgären Formulierungen einen Schritt zurücktreten, um die tiefere Bedeutung dieser nächsten Wochen zu erkennen. Donald Trumps jüngster skandalträchtiger Auftritt und Hillary Clintons merkwürdige Wehrlosigkeit sind beides Symptome einer dramatischen Krise der amerikanischen Demokratie. Trumps Sieg würde die Krise mit Sicherheit weiter vertiefen, aber sie wäre auch mit einem Sieg Clintons nicht vorbei. Und weil sich dieses Drama auf der größten Bühne der Welt abspielt – in jenem Land, das sich von jeher als Leitstern der freien Welt sieht –, steht mit dem Ansehen Amerikas das Modell der Demokratie schlechthin auf dem Spiel. Die Gewöhnung an immer neue Tiefpunkte ist dabei Teil des Problems. Genau dafür stehen die Ereignisse der vergangenen Tage. (lesen mehr über transatlantische Beziehungen)
Die Probleme dieser Welt können nicht größer sein. Krieg in Afganistan, Krieg in Syrien, Probleme zwischen Putin und dem Rest der Welt, der Tschetschenien-Konflikt, das große Sterben in Aleppo, die Allgegenwart von ISIS – so viele Brandherde müssen gelöscht oder zumindest eingegrenzt werden, da ist kein Platz für Polit-Neulinge – zumindest was Trump betrifft – die die Krisen noch verschlimmern könnten. Mit der Wahl einer neuen politischen Führung in Amerika geht eine riesige Verantwortung einher, die jemand übernehmen muss, der weiß, dass das Präsidentenamt keine Bühne für Selbstdarsteller oder Nachwuchspolitiker ist. Wenn selbst Michelle Obama sagt, dass „dieser Wahnsinn gestoppt werden müsse“, dann begreift selbst der letzte Anhänger von Trump, dass etwas an diesem Wahlkampf und auch an der Person eines Donald Trump nicht in Ordnung sein kann. Was für Clinton spricht, ist die Tatsache, dass ihr Mann als Ex-Präsident weiß, wie Regieren funktioniert, so dass man dieser Frau eher seriöse Absichten unterstellen kann als z.B. Donald Trump. Ein mulmiges Gefühl hat dennoch wahrscheinlich jeder, der diesen Wahlkampf von Anfang an verfolgt hat. In der jetzigen Situation des Wahlkampfes kann man nicht davon ausgehen, dass beide Kandidaten dem hohen Anspruch genügen könnten.