Reisen in fremde Städte oder ferne Länder begannen früher häufig im Landkartenladen. Heute haben wir Routenplaner im Internet, Garmins, TomToms, und überhaupt ist Google Maps allgegenwärtig. Alternativen sind unnötig, so lange alles funktioniert. Oder doch? Was ist eigentlich der Sinn einer freien Weltkarte? Braucht das irgendwer? Es lohnt ein Blick auf das freie Kartenprojekt openstreetmap.org
So mancher Zeitgenosse durfte schon unangenehme Erfahrungen mit Abmahnanwälten machen. Einen Stadtplanauschnitt aus dem Internet kopiert und auf der eigenen Webseite das eigene Geschäft unübersehbar markiert. Bis der Brief kam: Der Ausschnitt sei geklaut. Nun hieß es, Unterlassungserklärung unterzeichnen und fette Strafe zahlen. Google sei Dank nahte irgendwann die kostenlose Alternative aus den USA. Auf Handys ersetzt sie sogar die Kartenwerke, und aktueller ist sie auch noch. Schwarmintelligenz der Nutzer und deren Korrekturmöglichkeiten halten die Daten auf dem neuesten Stand. Wenig bekannt, aber auch hier gelten Copyrightregeln. Nicht so strenge, aber sie belassen das Grundproblem: Die Daten gehören anderen – wie beispielsweise Google. Sollte die oder der andere nicht mehr wollen oder neue Bedingungen einfordern, müssen die Nutzer mitmachen. Alle Welt verbessert fleißig mit an Googles Marktwert. Google mach sich unentbehrlich, etwa durch Ortsübermittlung, Staumeldungen und Wetervorhersage. Das stellt dem amerikanischen Datensammler Bewegungsprofile zur Verfügung, und die Kenntnis der Vorlieben des Nutzers.
Openstreetmap wirkt auf den ersten Blick ein bisschen wie der Jutebeutel im Handtaschenladen. Doch wie bei dem Jutebeutel sind die Vorteile bestechend für alle die sie zu schätzen wissen. Openstreetmap gehört niemandem. Alle Daten sind von Freiwilligen erfasst und dem Projekt kostenlos zur Verfügung gestellt. Andere Freiwillige bewerten eingetragene Linien und bestimmen, ob es sich da um eine Schnellstraße, einen Fahrradweg oder einen langen Zaun handelt. Geschäfte tragen sich selbst ein, wenn sie das können, oder warten auf den nächsten Freiwilligen. Der irgendwo in der Walachei der Eifel mitunter erst im nächsten Jahr vorbeikommt, wenn er mit seinem Kind da Urlaub macht. Bewegungsprofile bekommt Openstreetmap nur, wenn die Nutzer sie selbst hochladen. Das tun die meisten unter Pseudonym.
Mittlerweile ist Openstreetmap so bekannt und gut, dass bereits seit einigen Jahren manche Navigationsgeräte auf das teure Kartenmaterial kommerzieller Anbieter verzichten und mit vorinstallierten Openstreetmap-Karten verkauft werden. Während in diesem Fall der augenscheinliche Billigheimer als gleichwertig betrachtet werden kann. Denn auch Karten kommerzieller Anbieter veralten. Gegen Gebühr lassen sich dann Upgrades kaufen. Wehe es geht zu einem Ziel außerhalb Westeuropas: Selbstverständlich sind für Geld andere Länder hinzubuchbar. Aber ein Mal TomTom heißt immer TomTom, oder Falk oder was auch immer. Was immer bleibt ist die Alternative Google. Da zahlt der Nutzer bekanntermaßen mit der Preisgabe seines Privatlebens: Welcher Imbiss ist in der Nähe des Psychologen, dessen Besuch der Nutzer niemals bekannt machen wollte?
Die Vorteile de freien Weltkarte Openstreetmap liegen vor allem in genau dieser abstrakten Freiheit. Frei, das heißt frei von Copyright. Da bringt der Stadtplanausschnitt keinen Anwalt in die Spur, alles ist gratis und legal. Zudem lassen sich länderweise Karten herunterladen. Einen Ausflug in die Slowakei geplant? Schnell noch besorgen! Kostenlos downloaden und nutzen. Frei heißt auch, Freiheit zum Mitgestalten. Wer sich berufen fühlt kann jederzeit den noch unkartierten Gedenkstein oder die Trinkwasserquelle im Spessart nachtragen. Studenten der TU Berlin nahmen mehrfach Datenlogger mit bisher völlig unkartierte Gebiete, wie es sie in Brasilien noch gibt. Auf diese Weise bekommen auch weiße Flecken auf der Landkarte nach und nach Farbe.
In Städten funktionieren Korrekturen sehr zeitnah, auf dem Land kann es länger dauern. Nutznießer ist keine Firma, sondern nur die anderen Nutzer. Dadurch wurden die Openstreetmap-Daten auch vielfach Grundlage für Huckepack-Karten: Spezialkarten auf Basis dieser freien Daten, etwa für Radfahrer, Binnenschiffer oder Seekarten.
Haken gibt es wie überall auch: Zahlreiche Navigationsgeräte sind so konfiguriert, nur das eigene – bezahlte – Material zu verarbeiten. Dort funktionieren die Openstreetmap-Karten nicht. Außerdem sind die Karten immer in Landessprache. Wer nicht eben aus dem Großraum Aachen kommt kann überfordert seinan der Beschilderung im echten Leben, wenn Lüttich in Flämisch Luik und in Französisch Liège heißt.