Karlsruhe. Es geht auch ohne Tabletten oder zumindest in geringerer Dosis: Yoga kann den Blutdruck bei Patienten mit krankhaft erhöhten Werten deutlich absenken und macht in vielen Fällen die blutdrucksenkenden Medikamente überflüssig. Das haben zwei aktuell durchgeführte Langzeit-Studien in Deutschland mit nachhaltigen und seriös bewerteten Ergebnissen bewiesen. Deshalb wird Yoga als „alternative Medizin“ eingestuft, was auch bereits in internationalen Studien der Vergangenheit belegt wurde. Wichtig ist die regelmäßige und seriöse Anwendung des klassischen Yogas, um die entspannende Wirkung maximal auf Körper und Geist wirken zu lassen.
Sowohl für Yoga als auch für progressive Muskelrelaxation (PMR) als Verfahren zur Entspannung ist eine blutdrucksenkende Wirkung nachgewiesen. Grundlage ist das „Herunterfahren“ des vegetativen Nervensystems (weniger Antrieb durch den Sympathikus, mehr durch den Parasympathikus). Das bedeutet „Stress“-Reduktion und damit wohl auch eine gefäßschützende Wirkung. Bislang wird als Standardtherapieverfahren in der stationären Rehabilitation mit arterieller Hypertonie progressive Muskelrelaxation eingesetzt. Studien in der Nachsorge bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit zeigten, dass nur etwa 20 Prozent der Patienten PMR über ein halbes Jahr regelmäßig anwenden. Der Blutdruckeffekt dabei ist eher überschaubar.
Yoga wird als dringend zu beforschende Methode eingestuft. Die meisten kardiovaskulär-physiologischen Studien (solche also, die Herz-Kreislaufzusammenhänge untersuchen) in Indien wurden an jungen Probanden durchgeführt. In der Rehabilitation bei uns haben wir es bei Herzkranken mit überwiegend Männern im mittleren und höheren Alter zu tun. In den jetzigen Studien bei Hypertonikern in kardiologischer Rehabilitation wurden Yogaübungen mit Schwerpunkt auf der Atmung verwendet. Viniyoga als spezielle Yogaart vermag die Übungen dem körperlichen Status anzupassen. Es kommt hier nicht zu skurrilen Körperhaltungen.
Fragestellungen und Ziele
Yoga wirkt für sich allein ohne eine spezielle Einstellung des Übenden, dessen Bewusstseinshintergrund, ohne philosophische Einführung und/ oder besonderes Setting. Schlichte klare Anweisung der Übungen bewirkt Veränderungen am Ende jeder Stunde. Die Koordination von Bewegung mit der Atmung ist entscheidend. Nach drei Wochen täglichen Übens ist eine deutliche Veränderung in Bezug auf einen ruhigen gleichmäßigen Atem, einem bewusst geführten Bewegungsablauf und eine entspannte Ausrichtung feststellbar. Dadurch entsteht mehr Achtsamkeit für das eigene körperliche Tun. Es ist also keine besondere intellektuelle Voraussetzung und kein spezielles Setting nötig, um diese Wirkung zu erzielen. Die primäre Frage der Studien lautete: Wird Viniyoga von Patienten mit arterieller Hypertonie ein halbes bzw. ein Jahr nach Ende der Rehabilitation zu einem höheren Prozentsatz weiter durchgeführt als PMR bzw. kann eine telefonische Nachsorge die Anwendung von Yoga im Langzeitverlauf steigern? Daneben wurden weitere Fragen als relevant erachtet: Wie ist der Langzeitverlauf des Blutdrucks, der Lebensqualität und von physiologischen Meßwerten bei Yoga?
Studiendesign und Ergebnisse
In den Studien wurden jeweils eine Interventions- und eine Kontrollgruppe gebildet nach dem Zufallsprinzip (Randomisation). Die Altersspanne der Patienten lag zwischen 19 und 65 Jahren (im Durchschnitt 55). Es wurden nur Männer eingeschlossen, da der Anteil der Frauen zu klein für eine Subgruppenbildung erschien. Über 3 Wochen während der Rehabilitation wurde das jeweilige Verfahren täglich für ca. 45 min geübt, was im Schnitt ca. 15 Sitzungen beinhaltete.
Die Studien waren als Blindstudie konzipiert, d. h. die Teilnehmer wussten nicht, dass sie Yoga praktizierten. Von den Patienten wurde das Programm als eine Übung geführter Bewegungen wahrgenommen. Selbstverständlich wurden alle Hinweise auf Yoga vermieden, auch der Übungsraum war nüchtern ausgestattet mit einfachen Piktogrammen zur Übungsanleitung. An der Stirnseite des Raumes waren vier Tafeln mit den sogenannten „Basics“ der Methode angebracht:
- Bewege dich ruhig und gleichmäßig
- Bewege dich ohne Verspannung aufzubauen
- Lass den Atem ruhig und gleichmäßig fließen
- Verbinde deine Bewegung mit dem Atem
Der Raum war auch nicht gesondert abgeschirmt, so dass der normale Klinikbetrieb auf den Fluren im Raum durchaus als Grundgeräuschpegel wahrnehmbar war. Insofern wurde jeglicher Eindruck esoterischer Sphären vermieden. Hinzuzufügen wäre, dass die Teilnehmer überhaupt nicht zu den in der Allgemeinheit verbreiteten Vorstellungen des typischen „Yoga-Klientels“ passten. Es handelte sich um männliche Patienten mit hohem Blutdruck, einem Durchschnittsalter von ca. 55 Jahren und mit eher niedrigem Bildungsstatus. In der ersten randomisierten kontrollierten Untersuchung der Langzeitanwendung von Yoga und progressiver Muskelrelaxation wurden männliche Patienten zufällig einer der beiden Entspannungsverfahren zugeteilt. An PMR (als Kontrollgruppe) nahmen 167 Patienten teil, an Viniyoga (Interventionsgruppe) 173 Patienten. Die Ergebnisse für Blutdruck, Herzfrequenz und Medikamentenverbrauch wurden am Anfang sowie am Ende der stationären Rehabilitation und nochmals 6 Monate später anhand eines Fragebogens ermittelt. Der Blutdruck – gemessen in mmHg = Maßeinheit Druck – konnte am Ende der Rehabilitation signifikant besser gesenkt werden in der Viniyoga-Gruppe -8 mmHg, in der PMR-Gruppe —6 mmHg. In der Subgruppe mit deutlich erhöhten Blutdruckwerten trotz Medikation war die Blutdrucksenkung deutlich ausgeprägter bei Viniyoga mit — 21 mmHg als in der PMR-Gruppe mit — 12,6 mmHg. Bei etwas schlechterer Akzeptanz von Viniyoga ließ jedoch im Halbjahresverlauf die regelmäßige Anwendung von Yoga in der Interventionsgruppe deutlich nach. Insofern ließ sich der Langzeit-Effekt auf den Blutdruck nur in einer kleinen Subgruppe nachweisen.
Yoga-Folgestudie mit telefonischer Nachsorge
In der zweiten Studie wollten wir die Langzeitanwendung bzw. Nachhaltigkeit von Yoga als nicht medikamentöse Intervention bei Hochrisikopatienten mit Bluthochdruck nachweisen. Hier erlernten wiederum nur männliche Patienten jedoch ausschließlich das Viniyoga-Programm. Ein Drittel war zuckerkrank bzw. hatte eine Vorstufe. Über die Hälfte hatte eine koronare Herzkrankheit (Verengung der Herzkranzgefäße). Der Ausgangsblutdruck lag bei 140/90 mmHg trotz umfänglicher Medikation mit im Schnitt 3 bis 4 Substanzen. Die Intervention bestand diesmal in einer telefonischen Nachsorge (6 Telefonkontakte über I Jahr).
115 Teilnehmer erhielten diese Intervention im Vergleich zur Kontrollgruppe (113 Teilnehmer), die nur ein Informationsblatt und die übliche Betreuung durch den Hausarzt bekamen. Durch die telefonische Nachsorge übten immerhin 56 Prozent weiter Yoga, während in der Kontrollgruppe nur 36 Prozent weiter dabei blieben. Durchschnittlich wurde 2-3 mal wöchentlich geübt (bei denen, die weiter übten) und zwar häufiger und länger pro Einheit (ca. 20-30 Minuten) in der Interventionsgruppe. Am Ende der Rehabilitation war der Blutdruck in beiden Gruppen um ca. 10 mmHg niedriger. Nur in der Interventionsgruppe konnte der Blutdruck nachhaltig gesenkt werden und zwar nach einem Jahr um 5,4 mmHg systolisch und 2,1 mmHg diastolisch (in der Kontrollgruppe kaum gebessert gegenüber dem Ausgangsblutdruck, also wieder angestiegen). Zusätzlich war Lebensqualität signifikant gebessert und auch alle Parameter die das vegetative Nervensystem abbilden, zeigten tendenziell bessere Ergebnisse in der Interventionsgruppe.
Fazit
In nunmehr zwei wissenschaftlichen Studien konnte nicht nur der blutdrucksenkende Effekt von Yoga nachgewiesen werden, sondern auch dessen Nachhaltigkeit bei entsprechender Nachbetreuung. Wenn man bedenkt, dass dieser Effekt zusätzlich zur medikamentösen Therapie erreichbar ist, zeigt das eindrucksvoll, dass auch nicht medikamentöse Methoden, wie Yoga, einen anhaltend signifikanten Blutdruckeffekt haben. Gerade bei der Konstellation des inzwischen verbreiteten metabolischen Syndroms (starkes Übergewicht mit Bauchfett, Hypertonie, Neigung zur Zuckerkrankheit) stößt die medikamentöse Therapie an Grenzen. In einer groß angelegten europaweiten Studie (EUROASPIRE), bei der alle 5 Jahre die Stoffwechselsituation erfragt wird, ist die Einstellung des Hochdrucks trotz Eskalation der Medikamente immer noch leidlich. Insofern kommen die Experten nun immer mehr zu der Überzeugung, dass flankierende Alternativen dringend nötig sind (Bewegung, angemessene Ernährung und Entspannung). Allerdings setzt dies voraus, dass Yoga regelmäßig angewendet wird, d. h. konkret mindestens 1- bis 2-mal die Woche. Erfreulicherweise ist der Aufwand für dieses standardisierte Yogaprogramm mit ca. 20 Minuten sehr überschaubar.