Bratislava. Immer, wenn man denkt, schlimmer können Tiere nicht zugerichtet werden, zeigt die Pelzindustrie, dass es noch grausamer geht. Die jüngsten Schauerbilder sind erst wenige Woche alt und stammen aus finnischen Zuchtfarmen.
Zu sehen sind voluminöse Fellklöße in Käfigen. Erst bei genauem Hinsehen lassen sich zwischen den Fettfalten im Pelz blutunterlaufene Augen ausmachen. Sie gehören Füchsen, die sich vor lauter Gewicht kaum mehr drehen können. Aus ihrem Fell werden Jackenkragen gemacht oder modische Mützenbommel.
In der Natur werden die Tiere im Schnitt 3,5 Kilogramm schwer. Diese wiegen mehr als das Fünffache. Nicht selten brächten sie es auf 20 Kilo, so die finnischen Tierschützer, von denen die Fotos stammen.
Doch Bilder wie diese scheinen viele Konsumenten nicht mehr zu empören. Im Gegenteil: Der Pelz ist zurück, allen anderslautenden Umfragen zum Trotz.
Allein zwischen 2010 und 2015 verdreifachten sich die Umsätze der Branche auf über 40 Milliarden Dollar. Als im März an der New Yorker Börse erstmals Papiere des Luxusjackenherstellers Canada Goose angeboten wurden, schnellte deren Kurs schon am ersten Tag um mehr als 40 Prozent in die Höhe. Die voluminösen Daunenjacken mit dem Kojotenfell an der Kapuze sind vor allem bei Teenagern beliebt, seit sie in Hollywoodproduktionen wie „The Day after Tomorrow“ zu sehen waren.
Wirkungslos scheinen dagegen die Bilder verletzter Kojoten, die sich mit Fußfallen dahinschleppen, oder — wie vor wenigen Wochen — Aufnahmen eines Canada-Goose-Lieferanten, auf dessen Farm Gänse malträtiert wurden.
Vergessen scheinen auch die Antipelzkampagnen der Neunzigerjahre. Lange her, dass die fünf Supermodels um Claudia Schiffer und Cindy Crawford versprachen, lieber nackt als im Pelz zu gehen.
In der Modebranche geben inzwischen andere den Ton an: Instagram-Models und Pelzliebhaber wie US-Sternchen Kendall Jenner oder die Kardashian-Girls. Gemessen an ihren Followern scheinen sie für viele längst eine höhere Instanz zu sein als etwa die Tierschützer von Peta. Dass die Halbwertszeit ihrer Überzeugungen oft nicht länger hält als bis zum nächsten Auftrag, stört offenbar wenig: Khloé Kardashian zeigte sich nackt für Peta als überzeugte Pelzgegnerin, erlitt dann aber offenbar einen Rückfall und trägt nun wieder Felle spazieren.
Michael Jäckel, Professor für Konsumforschung an der Universität Trier, vermutet eine Reihe von Gründen für das Comeback des Pelzes: Neben Ignoranz, Unwissenheit und Nachahmereffekten sieht er eine gewisse „Demokratisierung des Luxus“. Pelze stünden nicht länger unter „Elitenvorbehalt“, sondern seien Massenprodukte geworden.
Das günstigste und meistgekaufte Fell ist ein Hundefell — und zwar das des Marderhundes. „Ein Kragen aus chinesischer Produktion kostet zehn bis zwölf Euro“, sagt Jan Peifer vom Deutschen Tierschutzbüro. Das sei billiger als fast jedes entsprechende Kunstfell. Tierische Accessoires wie Kragen und Bommel machen inzwischen einen Großteil des auf eine Milliarde Euro geschätzten Pelzmarktes in Deutschland aus.
Die Branche gibt sich verantwortungsvoll, doch schon die Fahndung nach dem Ursprung des Fells verlangt dem Verbraucher einiges ab. Wenig hilfreich war dabei der Gesetzgeber, der sich mit dem unspezifischen Minimalhinweis „enthält nichttextile Teile tierischen Ursprungs“ zufriedengibt. Falls der Hinweis überhaupt am Kleidungsstück hängt, geht das Rätselraten oft erst richtig los: Viele Produzenten machen aus einem Marderhund („raccoon dog“) kurzerhand einen Raccoon oder Waschbären — Hundeliebhaber will man nicht vergraulen.
Um die Irritationen nicht zu groß werden zu lassen, soll eine Flut von Siegeln helfen, das gute Gewissen zu imprägnieren. Vorreiter in diesem Bereich ist das finnische Unternehmen Saga Furs, das Marken wie Louis Vuitton, Michael Kors oder Woolrich beliefert. Es wirbt nicht nur mit dem Herkunftslabel „Origin Assured“, sondern entwickelte unter dem eigenen Namen ein Zertifizierungssystem, dessen Logo tierschutzgerechten Pelz verspricht. Während Saga Furs in der Branche als Vorzeigefirma gilt, halten Tierschützer die Ethikversprechen für Etikettenschwindel — winzige Gitterkäfige etwa seien weiterhin erlaubt. Saga Furs, 1954 als Zusammenschluss skandinavischer Pelzproduzenten gegründet, ist der erfolgreichste Pelzlobbyist der vergangenen Jahre. Die Firma kooperierte mit Modeschulen und jungen Designern, brachte den Pelz zurück auf die Laufstege und versetzte die vermeintlich verantwortungsvolle Generation der sogenannten Millennials in Kauflaune. „Für Pelz wird es immer einen Markt geben“, sagt eine Sprecherin — das Tierwohl sicherten „rigorose“ Kontrollen.
Die fünf Farmen mit den bis zur Unkenntlichkeit gemästeten Monster-Füchsen seien sofort überprüft worden, aber es sei alles in Ordnung gewesen. Konsequenzen? Gab es keine. Ganz erstaunt reagiert man bei Saga Furs auf die Frage, wie fette Tiere denn akzeptiert würden. Die Füchse kämen, wie Menschen, nun mal in verschiedenen Größen, heißt es. Aber die Kunden könnten beruhigt sein: Saga Furs nutze nämlich einen speziellen Body-Mass-lndex, mit dem die körperliche Fitness der Tiere genau berechnet werden könne.